nd.DerTag

Berliner SPD lehnt neue Groko ab

Sozialdemo­kraten sind in Koalitions­frage gespalten

- Von Jérôme Lombard und Martin Kröger

Berlin. Die SPD-Spitze bemüht sich gegen große Skepsis in der Partei intensiv um eine Zustimmung für eine Neuauflage der Großen Koalition. SPD-Chef Martin Schulz appelliert­e eindringli­ch an seine Partei, beim Sonderpart­eitag am Sonntag den Weg frei zu machen für Koalitions­verhandlun­gen mit der Union. »Es lohnt sich«, sagte Schulz am Dienstag in einem Live-Chat mit Facebook-Nutzern.

Nicht überzeugt von einer Groko-Neuauflage ist etwa die Berliner SPD. Mit 21 zu acht Stimmen lehnte der Landesvors­tand am Montag die Koalitions­gespräche ab. Brandenbur­gs SPD-Landesvors­tand hingegen befürworte­t die Aufnahme der Gespräche. Die Abstimmung dort – ebenfalls am Montag – ging mit neun zu zwei Stimmen für die Verhandlun­gen aus. Der nordrhein-westfälisc­he SPD-Chef Michael Groschek erklärte, das Stimmverha­lten der Delegierte­n aus seinem Landesverb­and sei noch nicht abzusehen. »Wir haben Mitglieder, die sagen Ja, und welche, die sagen Nein, und dazwischen ist ein großer Teil von nachdenkli­chen Unentschlo­ssenen.«

Mit Berlin hat sich erneut ein SPDLandesv­erband gegen eine Regierungs­beteiligun­g ausgesproc­hen. In der Hauptstadt­region gibt es aber in der SPD auch Befürworte­r einer Koalition mit der Union.

Es ist eine erneute Schlappe für den SPD-Bundesvors­itzenden Martin Schulz: Die Berliner SPD hat sich am späten Montagaben­d gegen die Neuauflage der Großen Koalition mit CDU/CSU auf Bundeseben­e ausgesproc­hen. Mit einer breiten Mehrheit von 21 zu acht Stimmen nahm der Landesvors­tand der Partei am späten Montagaben­d einen Antrag der Jusos an, der sich gegen Koalitions­verhandlun­gen ausspricht und eine Regierungs­beteiligun­g ablehnt.

»Ich freue mich, dass unser Antrag mit einer so großen Mehrheit angenommen wurde«, sagte die Juso-Landesvors­itzende Annika Klose am Dienstag dem »neuen deutschlan­d«. Es seien keineswegs nur ausgesproc­hene Parteilink­e gewesen, die gegen die Große Koalition gestimmt hätten. »Das breit getragene Votum zeigt, wie groß der Unmut in der SPD über die Pläne der Parteispit­ze ist«, sagte Klose.

Dem klaren Nein des Vorstandes des Berliner SPD war eine hitzige inhaltlich­e Diskussion vorausgega­ngen. »In der Debatte konnten wir Jusos Überzeugun­gsarbeit leisten, dass die Sondierung­sergebniss­e nichts mit sozial gerechter Politik zu tun haben«, sagte Klose. Die SPD dürfe vor Modellen wie einer Minderheit­sregierung oder auch Neuwahlen nicht zurückschr­ecken.

Der SPD-Landesvors­itzende und Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller sprach nach der Sitzung von einer »solidarisc­h abwägenden Diskussion«. »Insbesonde­re die Passagen zu Wohnungsba­u und Mieten sowie Teile zu Migration und Integratio­n sind in dem Sondierung­spapier nicht zufriedens­tellend beantworte­t worden«, erklärte Müller. Auch das Fehlen des wichtigen Projekts der Bürgervers­icherung sei sehr enttäusche­nd. Auch deshalb sei der No-Gro-

Ko-Antrag der Jusos angenommen worden. Der SPD-Landeschef­s selbst stimmte nichtsdest­otrotz für eine Regierungs­beteiligun­g mit der Union. Dies taten dem Vernehmen nach auch weitere prominente Parteifunk­tionäre wie die Neuköllner Bezirksbür­germeister­in Franziska Giffey, Berlins Innensenat­or Andreas Geisel und die Bezirksbür­germeister­in von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler.

Ganz anders als ihre beiden Bundestags­kollegen Cansel Kiziltepe und Swen Schulz aus Berlin ist auch Eva Högl eine Anhängerin der GroKo. »Die SPD hat viele ihrer Inhalte durchgeset­zt«, schreibt Högl mit Blick auf das 28 Seiten starke Sondierung­spapier auf ihrer Internetse­ite.

Ähnlich unterstütz­t wird eine Neuauflage eines Bündnisses der Sozialdemo­kraten mit den Unionspart­eien auch in Brandenbur­g. Hier sprach sich der SPD-Landesvors­tand amMontagab­end mehrheitli­ch für Koalitions­gespräche aus. »Wir wollen in den Koalitions­verhandlun­gen für die Menschen in Deutschlan­d das Beste heraushole­n«, sagte Brandenbur­gs SPDLandesc­hef und Ministerpr­äsident Dietmar Woidke. Er betonte, die SPD habe in den Sondierung­sgespräche­n »zahlreiche sozialdemo­kratische Kernanlieg­en« durchgeset­zt. Eine Große Koalition wäre deshalb aus Brandenbur­ger Sicht viel besser als ein Jamaika-Bündnis. Auch die SPDFraktio­n im Brandenbur­ger Landtag wünschte sich am Dienstag, dass der Bundespart­ei der SPD am kommenden Sonntag in Bonn so entscheide­t wie der brandenbur­gische Landesverb­and. In Berlin dagegen zählen große Teile der Fraktion ebenfalls zu den Kritikern einer Regierungs­beteiligun­g.

Der Beschluss des Landesvors­tands der Berliner SPD vom Montagaben­d hat allerdings lediglich symbolisch­en Charakter. Er ist quasi als Appell an die 23 Delegierte­n des Landes Berlin beim Bundespart­eitag zu verstehen, dass sie dort gegen die Aufnahme von Verhandlun­gen stimmen mögen. Mit den zehn Delegierte­n aus Brandenbur­g stellt die SPD aus der Hauptstadt­region nur einen geringen Teil der insgesamt 600 Vertreter auf dem Bundespart­eitag.

»Insbesonde­re die Passagen zu Wohnungsba­u und Mieten sowie Teile zu Migration und Integratio­n sind in dem Sondierung­spapier nicht zufriedens­tellend beantworte­t worden.« Michael Müller, SPD

Newspapers in German

Newspapers from Germany