Rechtsregierung legt los
Österreichs Schwarz-blaues Kabinett plant sozialen und juristischen Kahlschlag
Als erstes trafen die Kürzungspläne der neuen österreichischen Regierung Asylbewerber und die Kinder von EU-Ausländern. Nun möchte das Kabinett offenbar den Arbeitslosen an den Kragen – und den Gesetzen.
Langsam lichten sich die Nebel – und die Pläne der neuen österreichischen Rechtsregierung aus ÖVP und FPÖ nehmen Gestalt an. Sozialpolitisch soll es den Schwachen an den Kragen gehen und der neue Justizminister lässt mit einem radikalen Vorschlag aufhorchen: Er will alle Gesetze, die vor 2000 erlassen wurden, ausmisten.
Nachdem bereits in einer ersten Regierungserklärung klar gestellt worden war, dass es künftig für Asylbewerber während der Dauer ihres Verfahrens nur mehr Sach- statt Geldleistungen geben soll, nimmt die Koalition nun auch »faule« ÖsterreicherInnen ins Visier.
Gespart werden soll bei den Arbeitslosen. Ihnen droht eine dem deutschen Hartz IV-Modell ähnliche Gesetzgebung. Bisher wurde nämlich in Österreich – anders als in Deutschland – auf das Vermögen von Arbeitslosen nur in bestimmten Fällen zugegriffen. Nach dem Auslaufen des Arbeitslosenbezuges kann Notstandshilfe beantragt werden, die immerhin 95 Prozent des Arbeitslosengeldes beträgt. Sofern der Haushalt, in dem der Betroffene lebt, nicht über hohe Mittel verfügt, ist der Bezug der Notstandshilfe unbegrenzt möglich.
Die 165 000 Bezieher dieser Notstandshilfe erhalten zurzeit im Durchschnitt 747 Euro im Monat, das Arbeitslosengeld von durchschnittlich 941 Euro wird an 145 000 Menschen ausbezahlt. Wer nicht arbeitslosenversichert ist, kann die sogenannte Mindestsicherung beantragen. Um diese – in der durchschnittlichen Höhe von 590 Euro pro Monat – ausgezahlt zu bekommen, muss zuvor das eigene Vermögen aufgebraucht sein.
Bundeskanzler Sebastian Kurz von der ÖVP verlautete nun, die Notstandshilfe streichen zu wollen. Deren Bezieher würden somit automatisch in die Mindestsicherung fallen. Das Hartz IV-Modell lässt grüßen. Noch regt sich diesbezüglich Widerstand von der neuen Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), die mehrmals behauptete, Hartz IV würde es mit ihr nicht geben. Der angedeutete Kompromiss: lange Beitragszahler sollen länger Arbeitslosengeld bekommen, bevor ihre Ersparnisse angetastet werden. Es ge- he, so FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache, gegen die »Durchschummler«, die dem System hohe Kosten verursachten.
Als zweites Flaggschiff ihrer neuen Sozialpolitik propagieren die Spitzen von ÖVP und FPÖ Einsparungen beim Kindergeld für im Ausland lebende Kinder, deren Zahl 132 000 beträgt. Konkret geht es vor allem um slowakische Altenpflegerinnen und rumänische oder polnische Arbeiter, die in Österreich tätig sind und hier Sozialversicherungsbeiträge leisten, deren Kinder aber im Herkunftsland leben. Für sie soll die Höhe des Kindergeldes »an die dortigen Lebenshaltungskosten angepasst«, mit anderen Worten: gekürzt werden.
Den Vorwurf, damit Kinder unterschiedlich zu bewerten, konterte ein Regierungssprecher geschickt, indem er meinte, dass eine solche unterschiedliche Bewertung schon jetzt in einer rumänischen Klasse zum Ausdruck komme, wenn dort das eine Kind mit dem rumänischen Kindergeld und das andere mit dem um das Vielfache höhere österreichische ausgestattet sei.
Besonders abenteuerlich hören sich die Vorschläge des neuen Justizministers Josef Moser an. Das ehemalige FPÖ-Mitglied sitzt nun auf einem ÖVP-Ministerticket und plant einen juristischen Kahlschlag der besonderen Art. Moser will alle Gesetze, die vor dem Jahr 2000 erlassen wurden, außer Kraft setzen und nur jene beibehalten, die explizit notwendig seien.
Wie das Prozedere ablaufen soll und was passiert, wenn »Notwendigkeiten« aus dem Zivil-, Straf- und Verwaltungsrecht übersehen und gekippt werden, darüber schütteln renommierte Juristen den Kopf. »Will Moser unser Rechtssystem in die Luft sprengen?, fragt beispielsweise der Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk. Der neue Minister hält nichtsdestotrotz an seinen juristischen Kahlschlagplänen fest.
Die neue österreichische Regierung aus ÖVP und FPÖ hat in den ersten Wochen ihrer Amtszeit bei Asylbewerbern und Arbeitsmigranten gekürzt – und österreichischen Staatsbürgern ein paar soziale Wohltaten zukommen lassen. Nun aber kommen Pläne für eine Reform nach Vorbild von Hartz IV ans Licht. In der FPÖ, die sich gern als patriotische »Arbeiterpartei« präsentiert, rumort es deshalb.
Bundeskanzler Sebastian Kurz von der ÖVP verlautete nun, die Notstandshilfe streichen zu wollen. Deren Bezieher würden somit automatisch in die Mindestsicherung fallen. Das Hartz IV Modell lässt grüßen.