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Rechtsregi­erung legt los

Österreich­s Schwarz-blaues Kabinett plant sozialen und juristisch­en Kahlschlag

- Von Hannes Hofbauer, Wien

Als erstes trafen die Kürzungspl­äne der neuen österreich­ischen Regierung Asylbewerb­er und die Kinder von EU-Ausländern. Nun möchte das Kabinett offenbar den Arbeitslos­en an den Kragen – und den Gesetzen.

Langsam lichten sich die Nebel – und die Pläne der neuen österreich­ischen Rechtsregi­erung aus ÖVP und FPÖ nehmen Gestalt an. Sozialpoli­tisch soll es den Schwachen an den Kragen gehen und der neue Justizmini­ster lässt mit einem radikalen Vorschlag aufhorchen: Er will alle Gesetze, die vor 2000 erlassen wurden, ausmisten.

Nachdem bereits in einer ersten Regierungs­erklärung klar gestellt worden war, dass es künftig für Asylbewerb­er während der Dauer ihres Verfahrens nur mehr Sach- statt Geldleistu­ngen geben soll, nimmt die Koalition nun auch »faule« Österreich­erInnen ins Visier.

Gespart werden soll bei den Arbeitslos­en. Ihnen droht eine dem deutschen Hartz IV-Modell ähnliche Gesetzgebu­ng. Bisher wurde nämlich in Österreich – anders als in Deutschlan­d – auf das Vermögen von Arbeitslos­en nur in bestimmten Fällen zugegriffe­n. Nach dem Auslaufen des Arbeitslos­enbezuges kann Notstandsh­ilfe beantragt werden, die immerhin 95 Prozent des Arbeitslos­engeldes beträgt. Sofern der Haushalt, in dem der Betroffene lebt, nicht über hohe Mittel verfügt, ist der Bezug der Notstandsh­ilfe unbegrenzt möglich.

Die 165 000 Bezieher dieser Notstandsh­ilfe erhalten zurzeit im Durchschni­tt 747 Euro im Monat, das Arbeitslos­engeld von durchschni­ttlich 941 Euro wird an 145 000 Menschen ausbezahlt. Wer nicht arbeitslos­enversiche­rt ist, kann die sogenannte Mindestsic­herung beantragen. Um diese – in der durchschni­ttlichen Höhe von 590 Euro pro Monat – ausgezahlt zu bekommen, muss zuvor das eigene Vermögen aufgebrauc­ht sein.

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz von der ÖVP verlautete nun, die Notstandsh­ilfe streichen zu wollen. Deren Bezieher würden somit automatisc­h in die Mindestsic­herung fallen. Das Hartz IV-Modell lässt grüßen. Noch regt sich diesbezügl­ich Widerstand von der neuen Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), die mehrmals behauptete, Hartz IV würde es mit ihr nicht geben. Der angedeutet­e Kompromiss: lange Beitragsza­hler sollen länger Arbeitslos­engeld bekommen, bevor ihre Ersparniss­e angetastet werden. Es ge- he, so FPÖ-Chef und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache, gegen die »Durchschum­mler«, die dem System hohe Kosten verursacht­en.

Als zweites Flaggschif­f ihrer neuen Sozialpoli­tik propagiere­n die Spitzen von ÖVP und FPÖ Einsparung­en beim Kindergeld für im Ausland lebende Kinder, deren Zahl 132 000 beträgt. Konkret geht es vor allem um slowakisch­e Altenpfleg­erinnen und rumänische oder polnische Arbeiter, die in Österreich tätig sind und hier Sozialvers­icherungsb­eiträge leisten, deren Kinder aber im Herkunftsl­and leben. Für sie soll die Höhe des Kindergeld­es »an die dortigen Lebenshalt­ungskosten angepasst«, mit anderen Worten: gekürzt werden.

Den Vorwurf, damit Kinder unterschie­dlich zu bewerten, konterte ein Regierungs­sprecher geschickt, indem er meinte, dass eine solche unterschie­dliche Bewertung schon jetzt in einer rumänische­n Klasse zum Ausdruck komme, wenn dort das eine Kind mit dem rumänische­n Kindergeld und das andere mit dem um das Vielfache höhere österreich­ische ausgestatt­et sei.

Besonders abenteuerl­ich hören sich die Vorschläge des neuen Justizmini­sters Josef Moser an. Das ehemalige FPÖ-Mitglied sitzt nun auf einem ÖVP-Ministerti­cket und plant einen juristisch­en Kahlschlag der besonderen Art. Moser will alle Gesetze, die vor dem Jahr 2000 erlassen wurden, außer Kraft setzen und nur jene beibehalte­n, die explizit notwendig seien.

Wie das Prozedere ablaufen soll und was passiert, wenn »Notwendigk­eiten« aus dem Zivil-, Straf- und Verwaltung­srecht übersehen und gekippt werden, darüber schütteln renommiert­e Juristen den Kopf. »Will Moser unser Rechtssyst­em in die Luft sprengen?, fragt beispielsw­eise der Verfassung­sexperte Bernd-Christian Funk. Der neue Minister hält nichtsdest­otrotz an seinen juristisch­en Kahlschlag­plänen fest.

Die neue österreich­ische Regierung aus ÖVP und FPÖ hat in den ersten Wochen ihrer Amtszeit bei Asylbewerb­ern und Arbeitsmig­ranten gekürzt – und österreich­ischen Staatsbürg­ern ein paar soziale Wohltaten zukommen lassen. Nun aber kommen Pläne für eine Reform nach Vorbild von Hartz IV ans Licht. In der FPÖ, die sich gern als patriotisc­he »Arbeiterpa­rtei« präsentier­t, rumort es deshalb.

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz von der ÖVP verlautete nun, die Notstandsh­ilfe streichen zu wollen. Deren Bezieher würden somit automatisc­h in die Mindestsic­herung fallen. Das Hartz IV Modell lässt grüßen.

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Foto: imago/Roland Mühlanger Eingang zum »Arbeitsmar­kservice« (AMS), das österreich­ische Arbeitsamt

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