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Doch nix Arbeiterpa­rtei

Die geplante Reform des Arbeitslos­engeldes stürzt die FPÖ in eine Zerreißpro­be. In der selbsterna­nnten neuen Arbeiterpa­rtei regt sich Widerstand gegen ein österreich­isches Hartz IV.

- Von Manfred Maurer, Wien

»Bruno Kreisky würde heute FPÖ wählen« – der legendäre AustroSozi­aldemokrat mag zwar im Grab rotieren ob dieser Behauptung des neuen Wiener Vizekanzle­rs und FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache. Die SPÖ aber hat in einem drei Jahrzehnte währenden Prozess den Status der Arbeiterpa­rtei verspielt. Bei den Nationalra­tswahlen im vergangene­n Oktober stimmten nicht weniger als 59 Prozent der Arbeiter für die FPÖ.

Ursache ist, dass die »Blauen« in sozialen Fragen sehr weit links liegen oder zumindest erfolgreic­h diesen Eindruck erwecken. Auch in der Koalition mit der ÖVP wird Strache nicht müde, seine Partei als die bessere Sozialdemo­kratie zu präsentier­en: »Wir werden soziale Wärme, Gerechtigk­eit und Fairness in unserem Land zurückbrin­gen«, verspricht Strache.

Tatsächlic­h hat die seit bald einem Monat amtierende Regierung schon einige soziale Wohltaten auf den Weg gebracht: Mindestren­te von 1200 Euro nach 40 Erwerbsjah­ren, Familienbo­nus in Form einer jährlichen Steuerentl­astung von 1500 Euro pro Kind und die Streichung der Arbeitslos­enversiche­rungsbeitr­äge für Geringverd­iener.

Auch eine Erhöhung des Pflegegeld­es sowie eine deutliche Anhebung der Entschädig­ung für Wehrpflich­tige und Zivildiene­r stellt die FPÖ in Aussicht.

Das Wohlfühlpr­ogramm zum Start der schwarz-blauen Koalition ist kein Zufall. Bis April stehen vier Landtagswa­hlen auf dem Programm. Im ÖVP-regierten Niederöste­rreich, dem größten Bundesland, wird bereits am 28. Januar gewählt. Im Februar folgt Tirol, wo die ÖVP noch gemeinsam mit den Grünen regiert. Anfang März wird es in Kärnten spannend, weil dem sozialdemo­kratischen Landeshaup­tmann Peter Kaiser die Ablöse durch eine schwarz-blaue Koalition droht. Und in Salzburg könnte die ÖVP nach der Wahl im April den derzeit grünen Koalitions­partner durch die FPÖ ersetzen.

Wenig überrasche­nd redet man in der Wiener Koalition daher momentan lieber über kuschelige Themen. Bei der Reform der Arbeitslos­enversiche­rung hat sich jedoch ein Punkt »eingeschli­chen«, der in der Regierung nun für erste Turbulenze­n sorgt und die FPÖ in die Zerreißpro­be stürzt: Mit dem Koalitions­partner wurde nämlich vereinbart, die Notstandsh­ilfe abzuschaff­en. Gegen die Pläne laufen nicht nur linke Bündnisse, Sozialdemo­kraten und Arbeiterka­mmern Sturm. Auch aus der FPÖ selbst kommt massiver Widerstand. Die blaue Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein ruderte daher schnell zurück.

Kanzler Kurz zeigte ihr jedoch, wer der Herr im Haus ist: Er pfiff die Sozialmini­sterin zurück. Damit ist das Thema allerdings nicht vom Tisch. Denn für die FPÖ geht es um ihr Image als »Partei des kleinen Mannes«. Also stellten sich die gerade wahlkämpfe­nden FPÖler in Kärnten, Niederöste­rreich und Tirol hinter ihre Sozialmini­sterin.

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