nd.DerTag

Bottrop statt Boston

Schüler aus Ost und West sollen sich begegnen, fordert Florian Haenes

-

Ein Schüleraus­tausch zwischen Ost und West. Für diesen Vorschlag erhält Helmut Holter, Vorsitzend­er der Kultusmini­sterkonfer­enz, viel Häme. Sie ist wohlfeil, diese Häme, denn Holter spricht aus, worüber man in Deutschlan­d besser schweigt: Ost und West sind nicht das Gleiche.

Die Gegner von Holters Vorschlag behaupten, ein Schüleraus­tausch sei »nicht zeitgemäß«, denn junge Menschen interessie­rten sich nicht mehr für deutsch-deutsche Besonderhe­iten. Wenn das stimmte, bräuchte es gerade deshalb diesen Austausch. Die Eltern und Großeltern der ostdeutsch­en Schüler haben in einer sozialisti­schen Diktatur gelebt und teils harte Wendejahre überstande­n. Nicht wenige unterstütz­ten das System aus voller Überzeugun­g. Andere duckten sich weg. Einige begehrten mutig auf. Für ostdeutsch­e Jugendlich­e bilden die mannigfach­en Erfahrunge­n der DDRBürger den historisch­en Bezugsrahm­en. In einigen Fällen verteidige­n die Jugendlich­en ihre demokratis­che Freiheit heute sogar umso entschiede­ner.

Das Erbe der DDR lebt – das wird aus Bequemlich­keit oft geleugnet: Weil Westdeutsc­he den Ostdeutsch­en nicht vorhalten wollen, dass sie Bürger einer Diktatur waren. Und weil sich Ostdeutsch­e damit natürlich nicht brüsten. Vielleicht werden es gerade die Nachgebore­nen sein, die die deutsch-deutsche Geschichte aufarbeite­n, um voneinande­r zu lernen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany