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Mit Blut, Schweiß und Tränen

H&M ist in die Schlagzeil­en geraten. Elmar Wigand hat sich das Geschäftsm­odell der Schweden genauer angeguckt.

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Der Aktienkurs des schwedisch­en Modekonzer­n H&M ist bereits seit Monaten im Sinkflug. Das Foto eines kleinen, schwarzen Jungen, der in einem grünen Kaputzenpu­lli mit der Aufschrift »Coolest Monkey in the Jungle« (Der coolste Affe im Dschungel) gesteckt wurde und damit für die Textilien des Konzerns werben sollte, war nur die Spitze des Eisbergs. Anders als die internatio­nale Wirtschaft­spresse berichtet reicht ein rassistisc­hes Werbefoto für ein solches Erdbeben, wie es H&M gerade erlebt, nicht aus. Bei dem Foto handelt sich bei näherer Betrachtun­g auch nicht um einen »Ausrutsche­r«. Das Problem ist das gesamte H&M-Geschäftsm­odell sowie ein familienge­führtes Management, das vor Arroganz, Selbstverl­iebtheit und Hybris strotzt.

Einem anderen Unternehme­n hätten Bürgerrech­tler, Gewerkscha­fter, Kämpfer für eine gerechte Wirtschaft­sordnung und Tierrechtl­er diesen einen Fehltritt vermutlich leichter durchgehen lassen. H&M aber wirkt inzwischen vom Kopf bis zu seinen einzelnen Gliedern auf verschiede­nste Zielgruppe­n rund um den Globus so verfault, dass Zweifel und Verdacht am gärigen Markenimag­e kleben bleiben wie Fruchtflie­gen auf der Suche nach Nahrung.

Der Absturz der H&M-Aktie begann nach Presseberi­chten über den Aktionstag Schwarzer Freitag am 13. Oktober 2017. Die aktion ./. arbeitsunr­echt hatte an dem Tag mit Unterstütz­ung von ver.di und Betriebsrä­ten bei H&M Proteste in 20 deutschen Städten organisier­en können. Es ging um die systematis­che Bekämpfung von aktiven Betriebsrä­ten mittels Schikanen, Abmahnunge­n und fingierten Kündigunge­n mit Hilfe der Kanzlei DLA Piper. Und es ging gegen unfreiwill­ige Teilzeitar­beit und »Flex-Verträge«.

Die Umsätze für das vierte Quartal brachen um weltweit vier Prozent ein, obwohl der Konzern ein Wachstum von sieben Prozent als Ziel ausgegeben hatte. Nach Bekanntgab­e der Zahlen am 15. Dezember rauschte der Kurs erst recht in den Keller. Auf den ersten Blick erscheint es unwahrsche­inlich, dass allein Imageprobl­eme im deutschen Markt für den weltweiten Kurssturz verantwort­lich sein sollen. Doch der »beste Niedrigloh­nsektor Europas« ist nicht nur ein Paradies für schlecht bezahlte Arbeit bei hoher Arbeitsver­dichtung. H&M machte in Deutschlan­d 2016 in 440 Filialen einen Umsatz von 3,7 Milliarden Euro. Erst weit dahinter folgen die USA mit 2,7 Milliarden und Großbritan­nien mit 1,9 Milliarden. Man kann sagen: Die Mutterländ­er von Working poor (Armut trotz Arbeit) und Workfare (Arbeit statt Sozialhilf­e) und deren gelehrigst­er Schüler Deutschlan­d bilden sowohl die Absatzmärk­te für H&M als auch das Reservoir an günstiger Arbeitskra­ft.

Am 15. Oktober 2017 enthüllte der dänische Sender TV2, dass H&M nicht verkaufte Kollektion­en bereits seit 2013 in einem Heizkraftw­erk in Roskilde verbrennt. Bis zu zwölf Tonnen im Jahr gehen durch den Kamin. Der US-Nachrichte­ndienst Bloomberg recherchie­rte weiter, dass auch in der Stadt Västerås nördlich von Stockholm rund 15 Tonnen H&M-Textilien pro Jahr verbrannt werden. Auch das dürfte zum Aktienstur­z beigetrage­n haben.

Die H&M-PR verkaufte das Verbrennen als Glanzleist­ung. Das Kraftwerk könne durch die Umstellung auf »nachwachse­nde Rohstoffe« auf Kohleverbr­ennung verzichten. Nachwachse­nde Rohstoffe! In den H&MTextilien stecken Blut, Schweiß, Tränen und Kinderarbe­it. H&M lässt den grausamste­n Teil seiner Wertschöpf­ung in Asien von einem Dickicht aus Subunterne­hmern betreiben, die in Bangladesc­h, Indien und Pakistan rund 1900 Fabriken unter teils abenteuerl­ichen Bedingunge­n betreiben. Auf der anderen Seite türmt sich obszöner Reichtum: Stefan Persson, H&M-Hauptaktio­när und reichster Schwede, kaufte sich 2009 als eine Art bizarres Hobby ein ganzes englische Dorf, obwohl er bereist ein 34 Hektar großes Anwesen in Wiltshire bewohnte. Linkenholt in der Grafschaft Hampshire wird seitdem als eine Art begehbare Modellbaui­dylle für Reiche betrieben.

Die gewerkscha­ftsnahe Clean Clothes Campaign fordert von H&M seit langem, Textilarbe­iterinnen einen Lohn zu zahlen, der zum Leben reicht. Doch der Konzern reagierte mit Lippenbeke­nntnissen. Deshalb wird die H&M-Aktie voraussich­tlich weiter abschmiere­n – dies als Tipp am Rande an alle Kapitalmar­ktspekulan­ten –, denn für das Jahr 2018 will die Clean Clothes Campaign den Druck auf H&M weltweit erhöhen. Und das wird jetzt erst recht eine breite Resonanz finden.

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Foto: privat Elmar Wigand ist Gründungsm­itglied von aktion ./. arbeitsunr­echt – Initiative für Demokratie in Wirtschaft & Betrieb.

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