Dichter am Brennpunkt
GSG 9-Elite erhält mehr Leute und einen Stützpunkt in Berlin – ein Zuwachs an Sicherheit?
Die GSG 9, die Elite der Bundespolizei, macht in Berlin eine Filiale auf. Doch auch die Landespolizei rüstet nach. Wird die Hauptstadt nun sicherer? Die Spezialeinheit der Bundespolizei zur Bekämpfung von Terrorismus und schwerster Gewaltkriminalität soll um ein Drittel vergrößert werden und einen zweiten Standort in Berlin erhalten. Das sagte der Kommandeur der GSG 9, Jérôme Fuchs, zu Wochenbeginn dem rbb-Inforadio.
Wer daraus ableitet, dass vor allem Berlin sicherer wird, macht sich Illusionen. Denn die Einheit mit dem Traditionsnamen »Grenzschutzgruppe 9«, in der top-fitte Beamte als Präzisionsschützen, Taucher, Fallschirmspringer und Sprengstoffexperten dienen hat nur wenig mit alltäglicher Polizeiarbeit oder Verbrechensprävention zu tun. Ihre Teams werden gerufen, wenn es bereits zur Zuspitzung einer Lage gekommen ist. Oder wenn Razzien bevorstehen, die als extrem gefährlich eingestuft werden. Dann sind die Spezialisten mit ihrer besonderen Ausrüstung und der intensiven Ausbildung durch nichts zu ersetzen. Insgesamt ist die GSG 9 pro Jahr bei 50 bis 60 Einsätzen gefragt.
Das ist zu bewältigen – ohne Ausbildung und Training zu vernachlässigen. Kritisch jedoch wird es, wenn eine besondere Lage längere Zeit besteht. Dann kommt die rund 400 Mann starke Truppe an ihre Grenzen. Weshalb Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bereits Mitte 2015 aus normalen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) fünf dezentral stationierte BFE+-Truppen, also eine Art »GSG 9 light« geschaffen hat. Lufttransportfähig sollen sie die Lage am Tatort in ihrer Stationierungsregion bis zum Eintreffen der Spezialisten kontrollieren, Unbeteiligte aus Gefahrenbereichen herausholen und Operationen weiträumig absichern.
Die dazu notwendige zusätzliche Ausbildung erhalten die BFE+ler bei der GSG 9, die in Sankt Augustin bei Bonn, also der ehemaligen Bundeshauptstadt, stationiert ist. Liegt keine besondere Situation vor, verrichten die Beamten ihren normalen Tagesdienst in den jeweiligen Bundespolizei-Hundertschaften.
Die Bildung der BFE+ war eine unmittelbare Reaktion auf diverse terroristische Anschläge, bei denen mit Kriegswaffen ausgerüstete Täter – so wie in Paris – ganze Stadtteile in Angst versetzten. Man ging imdeutschen Innenministerium nicht zu unrecht von Überlegungen aus, dass Hauptstädte – siehe Paris, Brüssel, London, Mos- Jérôme Fuchs, Leitender Polizeidirektor kau und Berlin – einen besonderen Reiz auf derartig entschlossene, trainierte und vernetzte Terrorgruppen ausüben. Man entwickelte auch ein Szenario, bei dem zeitgleich verschiedene Orte betroffen sein können.
Ganz unerwartet kommt die Stationierung in Berlin also nicht. ImSommer nahm bereits die neue Bundespolizeidirektion 11 Quartier in Berlin. Sie versammelt unter ihrem organi- satorischen Dach die GSG9, den Flugdienst, all jene, die Schutzaufgaben für deutsche Einrichtungen im Ausland erfüllen oder in Flugzeugen als »Sky Marshalls« mitfliegen. Angegliedert ist das sogenannte Entschärfungswesen.
Für den Bundesinnenminister ist die neue Direktion samt zweitem GSG 9-Stationierungsort ein Herzensprojekt, mit dem er die Zentralisierung der inneren Sicherheit weiter vorantreibt. Von sich aus darf seine Elitetruppe allerdings nicht tätig werden. Sie muss durch das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei selbst, den Zoll, das Innenministerium, das Auswärtige Amt oder als Unterstützung der Spezialeinheiten der Bundesländer angefordert werden.
Daneben gibt es noch eine sogenannte »Hauptstadtdirektion« der Bundespolizeidirektion, die für die Alltagsaufgaben in Berlin und Brandenburg zuständig ist. Die knapp 3700 Untergebenen sorgen für Sicherheit an den Flughäfen, bei der Bahn sowie an der Grenze zu Polen. Sie bewachen verschiedene Bundesorgane und Ministerien und kommen als geschlossene Einheiten bei Demonstrationen zum Einsatz, wenn die Berli- ner Polizei mit ihren rund 23 000 Bediensteten überfordert ist.
Was nicht selten der Fall ist. Auch deshalb hat die rot-rot-grüne Senatskoalition imHaushaltsplan 2018/2019 jüngst 795 zusätzliche Stellen geschaffen. Damit wird man den Abgang altgedienter Beamten mehr als ausfüllen. Zugleich rüstet man die Polizei – wie alle anderen Bundesländer – hoch, um besondere Gefahrenlagen meistern zu können. Gekauft werden gepanzerte Fahrzeuge, 415 SIG-Sauer-Sturmgewehre, Schutzwesten samt Helmen. Auch rund 24 000 Pistolen sind bei Heckler&Koch geordert worden.
So wie es bei der Berliner Polizei generell Schwierigkeiten bei der Personalgewinnung und -ausbildung gibt, so ist die Gewinnung neuer GSG 9-Beamter eine »große Herausforderung«, sagt Kommandeur Fuchs. Seine Bewerber müssen eine Polizeiausbildung samt Einsatzerfahrung vorweisen. Das viertägige Auswahlverfahren bestehen nur sehr wenige. Dabei geht es nicht nur um »Fitness, charakterliche Stärke und Teamfähigkeit«. Immer wieder beklagen sich auch Elitepolizisten über die zahlreichen Einschränkungen, die sie im persönlichen Leben hinnehmen müssen.
»Die Gewinnung neuer GSG 9-Beamter ist eine große Herausforderung.«