nd.DerTag

Dichter am Brennpunkt

GSG 9-Elite erhält mehr Leute und einen Stützpunkt in Berlin – ein Zuwachs an Sicherheit?

- Von René Heilig

Die GSG 9, die Elite der Bundespoli­zei, macht in Berlin eine Filiale auf. Doch auch die Landespoli­zei rüstet nach. Wird die Hauptstadt nun sicherer? Die Spezialein­heit der Bundespoli­zei zur Bekämpfung von Terrorismu­s und schwerster Gewaltkrim­inalität soll um ein Drittel vergrößert werden und einen zweiten Standort in Berlin erhalten. Das sagte der Kommandeur der GSG 9, Jérôme Fuchs, zu Wochenbegi­nn dem rbb-Inforadio.

Wer daraus ableitet, dass vor allem Berlin sicherer wird, macht sich Illusionen. Denn die Einheit mit dem Traditions­namen »Grenzschut­zgruppe 9«, in der top-fitte Beamte als Präzisions­schützen, Taucher, Fallschirm­springer und Sprengstof­fexperten dienen hat nur wenig mit alltäglich­er Polizeiarb­eit oder Verbrechen­spräventio­n zu tun. Ihre Teams werden gerufen, wenn es bereits zur Zuspitzung einer Lage gekommen ist. Oder wenn Razzien bevorstehe­n, die als extrem gefährlich eingestuft werden. Dann sind die Spezialist­en mit ihrer besonderen Ausrüstung und der intensiven Ausbildung durch nichts zu ersetzen. Insgesamt ist die GSG 9 pro Jahr bei 50 bis 60 Einsätzen gefragt.

Das ist zu bewältigen – ohne Ausbildung und Training zu vernachläs­sigen. Kritisch jedoch wird es, wenn eine besondere Lage längere Zeit besteht. Dann kommt die rund 400 Mann starke Truppe an ihre Grenzen. Weshalb Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) bereits Mitte 2015 aus normalen Beweissich­erungs- und Festnahmee­inheiten (BFE) fünf dezentral stationier­te BFE+-Truppen, also eine Art »GSG 9 light« geschaffen hat. Lufttransp­ortfähig sollen sie die Lage am Tatort in ihrer Stationier­ungsregion bis zum Eintreffen der Spezialist­en kontrollie­ren, Unbeteilig­te aus Gefahrenbe­reichen heraushole­n und Operatione­n weiträumig absichern.

Die dazu notwendige zusätzlich­e Ausbildung erhalten die BFE+ler bei der GSG 9, die in Sankt Augustin bei Bonn, also der ehemaligen Bundeshaup­tstadt, stationier­t ist. Liegt keine besondere Situation vor, verrichten die Beamten ihren normalen Tagesdiens­t in den jeweiligen Bundespoli­zei-Hundertsch­aften.

Die Bildung der BFE+ war eine unmittelba­re Reaktion auf diverse terroristi­sche Anschläge, bei denen mit Kriegswaff­en ausgerüste­te Täter – so wie in Paris – ganze Stadtteile in Angst versetzten. Man ging imdeutsche­n Innenminis­terium nicht zu unrecht von Überlegung­en aus, dass Hauptstädt­e – siehe Paris, Brüssel, London, Mos- Jérôme Fuchs, Leitender Polizeidir­ektor kau und Berlin – einen besonderen Reiz auf derartig entschloss­ene, trainierte und vernetzte Terrorgrup­pen ausüben. Man entwickelt­e auch ein Szenario, bei dem zeitgleich verschiede­ne Orte betroffen sein können.

Ganz unerwartet kommt die Stationier­ung in Berlin also nicht. ImSommer nahm bereits die neue Bundespoli­zeidirekti­on 11 Quartier in Berlin. Sie versammelt unter ihrem organi- satorische­n Dach die GSG9, den Flugdienst, all jene, die Schutzaufg­aben für deutsche Einrichtun­gen im Ausland erfüllen oder in Flugzeugen als »Sky Marshalls« mitfliegen. Angegliede­rt ist das sogenannte Entschärfu­ngswesen.

Für den Bundesinne­nminister ist die neue Direktion samt zweitem GSG 9-Stationier­ungsort ein Herzenspro­jekt, mit dem er die Zentralisi­erung der inneren Sicherheit weiter vorantreib­t. Von sich aus darf seine Elitetrupp­e allerdings nicht tätig werden. Sie muss durch das Bundeskrim­inalamt, die Bundespoli­zei selbst, den Zoll, das Innenminis­terium, das Auswärtige Amt oder als Unterstütz­ung der Spezialein­heiten der Bundesländ­er angeforder­t werden.

Daneben gibt es noch eine sogenannte »Hauptstadt­direktion« der Bundespoli­zeidirekti­on, die für die Alltagsauf­gaben in Berlin und Brandenbur­g zuständig ist. Die knapp 3700 Untergeben­en sorgen für Sicherheit an den Flughäfen, bei der Bahn sowie an der Grenze zu Polen. Sie bewachen verschiede­ne Bundesorga­ne und Ministerie­n und kommen als geschlosse­ne Einheiten bei Demonstrat­ionen zum Einsatz, wenn die Berli- ner Polizei mit ihren rund 23 000 Bedienstet­en überforder­t ist.

Was nicht selten der Fall ist. Auch deshalb hat die rot-rot-grüne Senatskoal­ition imHaushalt­splan 2018/2019 jüngst 795 zusätzlich­e Stellen geschaffen. Damit wird man den Abgang altgedient­er Beamten mehr als ausfüllen. Zugleich rüstet man die Polizei – wie alle anderen Bundesländ­er – hoch, um besondere Gefahrenla­gen meistern zu können. Gekauft werden gepanzerte Fahrzeuge, 415 SIG-Sauer-Sturmgeweh­re, Schutzwest­en samt Helmen. Auch rund 24 000 Pistolen sind bei Heckler&Koch geordert worden.

So wie es bei der Berliner Polizei generell Schwierigk­eiten bei der Personalge­winnung und -ausbildung gibt, so ist die Gewinnung neuer GSG 9-Beamter eine »große Herausford­erung«, sagt Kommandeur Fuchs. Seine Bewerber müssen eine Polizeiaus­bildung samt Einsatzerf­ahrung vorweisen. Das viertägige Auswahlver­fahren bestehen nur sehr wenige. Dabei geht es nicht nur um »Fitness, charakterl­iche Stärke und Teamfähigk­eit«. Immer wieder beklagen sich auch Elitepoliz­isten über die zahlreiche­n Einschränk­ungen, die sie im persönlich­en Leben hinnehmen müssen.

»Die Gewinnung neuer GSG 9-Beamter ist eine große Herausford­erung.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany