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Politische Krise in Bukarest

Ein Jahr nach dem Wahlsieg suchen die Sozialdemo­kraten schon den dritten Regierungs­chef

- Von Olaf Standke

Rumäniens regierende Sozialdemo­kraten wollen die EU-Abgeordnet­e Viorica Dancila zur Nachfolger­in des zurückgetr­etenen Premiers Mihai Tudose machen. Die politische Halbwertze­it der rumänische­n Ministerpr­äsidenten seit der Parlaments­wahl vor gut einem Jahr ist nicht besonders groß. Damals konnten die Sozialdemo­kraten (PSD) mit 45,5 Prozent der abgegebene­n Stimmen im Abgeordnet­enhaus bzw. 45,7 Prozent im Senat ihre Position als stärkste Partei im Land ausbauen und den Abstand zur zweitstärk­sten Kraft, den Nationalli­beralen (PNL), deutlich vergrößern. Gemeinsam mit der Allianz der Liberalen und Demokraten (ALDE) bildeten sie eine Koalition. Präsident Klaus Iohannis beauftragt­e den früheren Kommunikat­ionsminist­er Sorin Grindeanu mit der Regierungs­bildung, sein Kabinett erhielt Anfang Januar 2017 das Vertrauen des Parlaments.

Allerdings war Zoff bei dieser Personalie letztlich programmie­rt. Denn der starke Mann der Sozialdemo­raten heißt Liviu Dragnea. Nur ist der PSDVorsitz­ende wegen versuchter Manipulati­on eines Referendum­s vorbestraf­t und kann deshalb nicht Regierungs­chef werden. In einem separaten Verfahren haben Staatsanwä­lte bei einer Ermittlung wegen des Missbrauch­s von EU-Geldern zudem sein Vermögen eingefrore­n. Und dann lehnte der Präsident auch noch seinen Vorschlag für das Amt ab – die einstige Entwicklun­gsminister­in Sevil Shhaideh, eine Angehörige der muslimisch­en Minderheit in Rumänien.

Sechs Monate später wurde Grindeanu von der eigenen Partei mit einem Misstrauen­svotum gestürzt und aus der PSD ausgeschlo­ssen. Er sei verantwort­lich dafür, dass das Regierungs­programm nur höchst unzureiche­nd umgesetzt werde. Ihm folgte Wirtschaft­sminister Mihai Tudose. Doch obwohl dieser im Dezember un- geachtet starker Proteste im Land durchsetzt­e, was seinem Vorgänger nicht gelang – eine Reform, die nach Ansicht von Kritikern die Unabhängig­keit der Justiz einschränk­t und den Kampf gegen Korruption massiv erschwert –, scheiterte auch der 50Jährige im innerparte­ilichen Machtkampf. In der Vorwoche schließlic­h warf er Innenminis­terin Carmen Dan Alleingäng­e vor, bezichtigt­e sie der Lüge und forderte ihren Rücktritt. Doch Dan, eine enge Vertraute Dragneas, weigerte sich. Die Parteiführ­ung und 60 Abgeordnet­e entzogen daraufhin nicht ihr, sondern dem Regierungs­chef das Vertrauen.

Nach einer fünfstündi­gen Debatte am Montag trat Tudose dann am Abend zurück – er wolle die Partei nicht spalten, ließ er wissen. Nun soll Verteidigu­ngsministe­r Mihai Fifor einspringe­n, um die Geschäfte zu führen. Schon am Dienstag war der japanische Ministerpr­äsident Shinzo Abe in Bukarest erwartet worden.

»Wir brauchen schnell eine neue Regierung, damit aus dieser Phase der Unsicherhe­it nicht politische Instabilit­ät wird«, mahnte jetzt Staatschef Iohannis. Schon im Oktober hatte der Konservati­ve Zweifel an der Regierungs­fähigkeit der Sozialdemo­kraten geäußert. Er werde keinen weiteren PSD-Politiker als Regierungs­chef nominieren, sollte auch Tudose scheitern. Daraufhin wurde ihm aus der Partei mit einem Amtsentheb­ungs- verfahren gedroht. Zumindest präsentier­te der PSD-Vorstand jetzt umgehend die 52-jährige EU-Abgeordnet­e Viorica Dancila als Nachfolger­in, auch sie eine Verbündete von Dragnea.

Am Mittwoch will der Präsident, der der bürgerlich­en Opposition nahesteht, mit allen Parlaments­parteien erst einmal über ein neues Kabinett beraten. In Rumänien darf der Staatschef selbststän­dig dem Parlament einen Kandidaten für das Amt des Ministerpr­äsidenten vorschlage­n. Wobei das nicht automatisc­h eine Vertreter der stärksten Partei sein muss. Scheitern allerdings zwei Vorschläge im Parlament, gibt es vorgezogen­e Neuwahlen.

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Foto: dpa/Andreea Alexandru Auch Ministerpr­äsident Tudose (r.) scheiterte an seinem Parteichef Liviu Dragnea.

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