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Biogemüse für Berlin

Fördergeme­inschaft ökologisch­er Landbau bastelt an einer Lieferkett­e

- Von Andreas Fritsche

Mit rund 1,3 Millionen Euro Fördermitt­eln soll das Projekt »Regionales Biogemüse aus Brandenbur­g« innerhalb von fünf Jahren zum Erfolg geführt werden.

Es ist seit zehn Jahren immer dasselbe. Die Nachfrage nach Bioprodukt­en in Berlin kann mit dem Angebot aus Brandenbur­g nicht Schritt halten. 2016 hatte sich die nach den Kriterien des Ökolandbau­s bewirtscha­ftete Fläche in Brandenbur­g um 7,3 Prozent auf fast 150 000 Hektar erhöht. Der Trend setzte sich 2017 fort.

Doch es ließe sich noch viel mehr anbauen und erzeugen, ohne dass der Markt gesättigt wäre. Beispiel Biomilch: Der rapide Preisverfa­ll bei konvention­eller Milch – die Bauern erhielten in den Jahren 2015 und 2016 nur noch 20 Cent je Liter – hat viele Landwirte dazu bewegt, es mit Biomilch zu probieren. Doch obwohl inzwischen spürbar mehr Biomilch erzeugt wird, blieb der Abnahmepre­is zur Verwunderu­ng aller Experten stabil bei 48 bis 50 Cent je Liter Biomilch.

Fazit: Die Biobauern hinken dem Wachstum des Naturkosth­andels immer noch hinterher. Denn es gibt nicht nur ständig neue Bioläden. Darüber hinaus erweitern konvention­elle Lebensmitt­elläden – genannt seien hier insbesonde­re die Ketten Edeka und Rewe – ihre Palette um mehr und mehr Bioprodukt­e. Solche gebe es inzwischen sogar an Tankstelle­n, weiß Michael Wimmer, Geschäftsf­ührer der Fördergeme­inschaft ökologisch­er Landbau BerlinBran­denburg (FÖL). Daneben stieg der Bioanteil im Mittagesse­n an Berliner Grundschul­en mittlerwei­le auf mehr als 40 Prozent, und auch die Gastronomi­e fragt nach Zutaten in Bioqualitä­t.

Besonders schmerzlic­h fehlt Biogemüse. Der Berliner Handel importiert es deshalb teils von weit her, was wegen der Transportw­ege keineswegs umweltfreu­ndlich ist. Die Fördergeme­inschaft ökologisch­er Landbau möchte gern Abhilfe schaffen und hat nun die Mittel dazu in die Hand bekommen – rund 1,3 Millionen Euro für fünf Jahre. Denn die FÖL erhielt im Rahmen der Europäisch­en Investitio­nspartners­chaften »Landwirtsc­haftliche Produktivi­tät und Nachhaltig­keit« den Zuschlag für das Projekt »Regionales Biogemüse aus Brandenbur­g«. Darüber informiert Geschäftsf­ührer Wimmer am Dienstag bei einem Frühstück in der Geschäftss­telle der Fördergeme­inschaft.

Mit im Boot sitze dabei die Eberswalde­r Hochschule für nachhaltig­e Entwicklun­g (HNE), die zwei Mitarbeite­r dafür abstellen könne. Ziel des Projektes sei es, eine schlagkräf­tige, rentable Produktion von Biogemüse anzukurbel­n. Dazu soll eine komplette Wertschöpf­ungskette mit Gärtnern, Verarbeitu­ng und Großhandel aufgebaut werden. Denn die Großküchen, die Schulverpf­legung anbieten, schälen weder die Kartoffeln selbst, noch schnippeln sie die Mohrrüben. Sie brauchen die Zuta- ten fertig, die Möhren beispielsw­eise gewürfelt, wie Wimmer erläutert. Einen konvention­ellen Verarbeitu­ngsbetrieb, der bereit wäre, einen extra Standort für die Bioschiene aufzubauen, habe er bereits an der Hand.

Ein Problem besteht darin, dass der umfänglich­e konvention­elle Gartenbau, mit dem die DDR für die Selbstvers­orgung der Republik sorgte, nach der Wende weggebroch­en ist. Viele Gewächshäu­ser aus dieser Ära däm- mern als Ruinen vor sich hin. Denn als die großen Einzelhand­elsketten aus Westdeutsc­hland das Terrain unter sich aufteilten, blieben sie bei ihren Zulieferer­n und ließen den ostdeutsch­en Gartenbau im Regen stehen. Die wenigen alten Gartenbaub­etriebe, die es in Brandenbur­g noch gibt, hielten sich mit Zierpflanz­en über Wasser, berichtet Wimmer. So gebe es bedauerlic­herweise kaum konvention­elle Gartenbaub­etriebe, die umsteigen könnten. Die mit dem wachsenden Markt in den vergangene­n Jahren geborenen Biogärtner­eien seien voll ausgelaste­t.

Wimmer setzt seine Hoffnung deshalb auf den Nachwuchs, auf Absolvente­n der Eberswalde­r Hochschule und andere Junglandwi­rte, die es mit dem Biogemüsea­nbau versuchen möchten. Zusätzlich hat er bei dem Projekt noch zwei Agrarbetri­ebe an Bord, die über je 1000 Hektar Land verfügen und willens sind, 200 bis 300 Hektar mit Biogemüse zu bepflanzen. Zusammen sind das bis jetzt zehn Erzeuger, die mitmachen.

Das Projekt startete am 1. Januar und läuft bis zum 31. Dezember 2022. Es geht dabei auch darum, die Erzeuger, die Verarbeitu­ng und den Handel an einen Tisch zu bekommen, damit sie Kontakte knüpfen und Vertrauen zueinander fassen.

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Foto: imago/Lars Reimann Eine Stiege mit Tomaten vor dem Hofladen des Ökodorfs Brodowin

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