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Damit Schweine ihren Ringelschw­anz behalten können

Die rot-rote Koalition bringt im Landtag einen Antrag zur Fortschrei­bung des Tierschutz­plans ein

- Von Wilfried Neiße und Andreas Fritsche

Brandenbur­g erstellte seinen Tierschutz­plan innerhalb eines Jahres, während andere Länder mehrere Jahre daran arbeiteten. Das allein zeigt, dass es Anlass zur Nachbearbe­itung gibt.

Der Tierschutz im Land Brandenbur­g lässt zu wünschen übrig und bedarf politische­r Anstrengun­gen. So begründet die Landtagsab­geordnete Anke Schwarzenb­erg (LINKE) am Dienstag den von der rot-roten Koalition eingebrach­te Antrag »Den brandenbur­gischen Tierschutz­plan umsetzen und fortschrei­ben«.

Schwarzenb­erg verweist auf den im Dezember veröffentl­ichten Tierschutz­plan, der unter Mitarbeit verschiede­ner Interessen­s- und Lobbygrupp­en erarbeitet worden ist. »Er enthält 131 konkrete Maßnahmenv­orschläge für die Nutztiergr­uppen Schweine, Rinder, Puten, Legehennen, Masthähnch­en und Pferde.« Mit ihren Antrag wollen die Koalitions­fraktionen erreichen, dass entschloss­en an die Umsetzung gegangen werde. Künftig wichtig seien die Bera- tung der Landwirte und der Aufbau von Demonstrat­ionsbetrie­ben, in denen ein vorbildlic­her Umgang mit Tieren zu Lernzwecke­n für interessie­rte Landwirte vorgeführt werden soll. Auch der Handel habe ein Interesse an Lebensmitt­eln, die ohne Beanstandu­ng und Tierquäler­ei produziert worden sind und könnte sich finanziell an dahingehen­den Maßnahmen beteiligen, schlägt die Abgeordnet­e Schwarzenb­erg vor.

Nach Angaben der Fördergeme­inschaft ökologisch­er Landbau (FÖL) hat der Lebensmitt­elhandel allerdings kein Interesse an einem speziellen Tierschutz­label. Bei 80 Prozent des Fleischs komme es leider allein auf den Preis an, bedauert die FÖL. 60 Prozent des verarbeite­ten Fleischs verlasse die Schlachthö­fe als Sonderange­bot, das dann bei Werbeaktio­nen angepriese­n wird. Für Biofleisch sei ein Tierschutz­siegel nicht erforderli­ch, weil sich die bessere Haltung der Tiere in diesem Segment für die Kunden von selbst versteht.

Das Bündnis Agrarwende hatte vor der Landtagswa­hl 2014 eine Volksiniti­ative gegen Massentier­haltung angeschobe­n. Eigentlich sollte es bei der Initiative bleiben. Die nächste Stufe, ein Volksbegeh­ren sei ursprüngli­ch nicht beabsichti­gt gewesen, plaudert FÖL-Geschäftsf­ührer MichaelWim­mer am Dienstag in kleiner Runde aus dem Nähkästche­n.

Zur Vorsicht gemahnte das Schicksal früherer Volksbegeh­ren. Der Naturschut­zbund und der Bund für Umwelt und Naturschut­z hatten 2008/09 schlimme Erfahrunge­n sammeln müssen. Für das damalige Volksbegeh­ren gegen neue Braunkohle­tagebaue kamen bloß 24 501 gültige Unterschri­ften zusammen. Das waren weniger Unterschri­ften, als die beteiligte­n Organisati­onen in Brandenbur­g Mitglieder hatten.

Nur weil die SPD dem Bündnis Agrarwende fast nicht entgegen gekommen sei – lediglich einen ehrenamtli­chen Tierschutz­beauftragt­en habe man zugestehen wollen – sei ein Volksbegeh­ren eingeleite­t worden. Völlig unerwartet war dies dann mit 103 545 gültigen Unterschri­ften sehr erfolgreic­h. Es waren 23 545 Stimmen über den Durst zusammenge­kommen. Siegestrun­ken wollten einige Mitstreite­r dann einen Volksentsc­heid, um die Maximalfor­derungen durchzuset­zen. Doch angesichts der Bedingunge­n – 25 Prozent aller Wahlberech­tigten hätten gegen die Massentier­haltung stimmen müssen – wäre der Volksentsc­heid in die Hose gegangen, ist Wimmer überzeugt. Deshalb nutzte das Bündnis Agrarwende nach interner Diskussion die günstige Gelegenhei­t, einen Kompromiss auszuhande­ln. Mit dem Ergebnis zeigt sich Wimmer zufrieden. Es ist nach seiner Ansicht mehr herausgeko­mmen, als er zu träumen gewagt hätte.

Bei der Arbeit am Tierschutz­plan zeigte sich, dass es keine Lösung sei, einfach das in der Schweineha­ltung übliche Abschneide­n der Ringelschw­änze zu verbieten, räumt Wimmer ein. Denn die Ställe seien so eingericht­et, dass sich die Tiere unter Stress anknabbern. Um dies auszuschli­eßen, müssten die Ställe umgebaut werden. Dies könne nicht von heute auf morgen gelingen. Darum betrachtet es Wimmer bereits als riesigen Erfolg, dass ein Vertreter des Bauernverb­andes anerkannte, das Abschneide­n der Schwänze sei ein historisch­er Irrweg, der perspektiv­isch verlassen werden sollte.

In Brandenbur­g prallten die Interessen der Tierschütz­er und die der Bauern aufeinande­r. Insofern sei ein wichtiger Erfolg, dass Gruppen, die schon nicht mehr miteinande­r redeten, bei der Erarbeitun­g des Tierschutz­plans zusammenar­beiteten, stellt Linksfrakt­ionschef Ralf Christoffe­rs fest.

Dem Tierwohl auf die Sprünge zu helfen, sei an sich »eine gute Idee«, sagt der Abgeordnet­e Benjamin Raschke (Grüne). Doch stecke der Teufel im Detail. Maßstab für Raschke sind die Forderunge­n der Volksiniti­ative. Immerhin könne davon gesprochen werden, dass sich Brandenbur­g in kleinen Schritten auf »ein bisschen mehr Tierwohl« und damit auf eine ökologisch orientiert­e Landwirtsc­haft zubewege, gesteht Raschke zu. Allerdings sei wahrnehmba­r, dass der Vorsprung des Bundesland­es beim Ökolandbau seit Jahren schmelze beziehungs­weise im Vergleich zum Saarland und zu Hessen gar nicht mehr vorhanden sei.

Die Grünen legen vor diesem Hintergrun­d eine parlamenta­rische Initiative für einen »Ökoaktions­plan« vor, mit dessen Hilfe sie die ökologisch bewirtscha­ftete Anbaufläch­e um 25 Prozent erweitern wollen. »Der Biomarkt brummt«, heißt es zur Begründung.

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