nd.DerTag

Noch 40 Jahre Schlagloch­pisten

Sachsen-Anhalts Kommunen wollen zusätzlich­e Aufgaben bezahlt bekommen

- Von Hendrik Lasch, Magdeburg

Vor einem Jahr hat das Land Sachsen-Anhalt den Finanzausg­leich mit seinen Kommunen neu geregelt. Diese sind nicht unzufriede­n, sehen das Erreichte durch höhere Ausgaben aber wieder gefährdet.

In Sachsen-Anhalt gibt es exakt 4251,3 Kilometer Kreisstraß­en. Viele davon sind löchrig, bröckeln an den Rändern oder führen über marode Brücken. Um sie zu flicken, wären über 800 Millionen Euro notwendig. Das Land stellt für die Sanierung aber pro Jahr nur 21,5 Millionen Euro zur Verfügung. Rechnerisc­h würde es also fast 40 Jahre dauern, bis die Schäden behoben wären. Die Kommunen fordern vom Land deshalb einen Kraftakt. 80 Millionen Euro, sagt der Salzwedele­r Landrat Michael Ziche, solle die Regierung bereitstel­len. Angesichts der guten Jahresabsc­hlüsse, die der Finanzmini­ster derzeit vorlegen könne, »wäre das keine utopische Summe«.

Dass Kommunen vom Land mehr Geld fordern, ist nichts Ungewöhnli­ches. Klagen über eine unzureiche­nde Finanzauss­tattung gehören bei Landräten und Bürgermeis­tern vielmehr zum Standardre­pertoire. In Sachsen-Anhalt sind sie im vergangene­n Jahr immerhin deutlich leiser geworden: »Wir sagen nicht mehr so oft, das Land sei an allem schuld«, sagt Lutz Trümper, der SPD-Oberbürger- meister von Magdeburg und Präsident des Städte- und Gemeindebu­ndes im Land. Grund dafür ist ein neues Gesetz über den Finanzausg­leich (FAG), das Anfang 2017 in Kraft trat. Es sichert den Kommunen 1,628 Milliarden Euro an Zuweisunge­n. Die Regelung »hat sehr geholfen«, sagt Ziche, der auch Präsident des Landkreist­ages ist.

Allerdings wird den Kommunen das Geld, das ihnen in die eine Tasche gesteckt wurde, aus der anderen wieder herausgezo­gen. Parallel zur FAG-Novelle habe es Entwicklun­gen gegeben, die für die Kommunen sehr kostspieli­g waren, sagt Ziche. Der CDU-Politiker nennt etwa neue Regeln für den Unterhalts­vorschuss. Weil sich die Anzahl der Anträge danach verdoppelt­e, musste mehr Geld ausgezahlt und zusätzlich­es Personal eingestell­t werden; die Kosten von 25 Millionen Euro sind im FAG nicht berücksich­tigt. Die Absenkung der »Ostmilliar­de«, mit der die Bundesregi­erung einen Ausgleich für hohe Sozialausg­aben gewährt, kostete die Landkreise weitere 42 Millionen Euro.

Und auch die Kinderbetr­euung ist für sie noch immer ein Fass ohne Boden. Zwar hat Sachsen-Anhalts Landtag kürzlich eine erste Novelle des Kinderförd­erungsgese­tzes (Kifög) beschlosse­n; die Regierungs­koalition aus CDU, SPD und Grünen lobt sich seither dafür, den Kommunen 30 Millionen Euro zusätzlich für ihren An- teil an den Betreuungs­kosten zu überweisen. Doch die Entwicklun­g sei »nicht so positiv, wie sie gern dargestell­t wird«, sagt Trümper. Schließlic­h zweige das Land gleichzeit­ig 22 Millionen aus dem vom Bund überwiesen­en Betreuungs­geld ab; unterm Strich erhalten die Kommunen also nur acht Millionen Euro mehr. Gleichzeit­ig gehen die Kosten in Städten wie Magdeburg durch die Decke, weil viele Menschen mit Kindern zuziehen. Die Kommunen verlangen deshalb, das »Konnexität­s- prinzip« stärker zu beachten. Es besagt, dass Aufgaben, die das Land an Landkreise, Städte und Gemeinden überträgt, auch von diesem zu bezahlen sind. Zudem drängt Ziche darauf, dass Mittel, die der Bund überweist, an die Kommunen weitergere­icht werden, wenn diese die entspreche­nden Aufgaben erledigen. Anderenfal­ls würden die »Erfolge des Finanzausg­leichs belastet«, heißt es in einer gemeinsame­n Stellungna­hme der beiden kommunalen Spitzenver­bände, also Städte- und Gemeindebu­nd und Landkreist­ag.

Eine Anhebung der im FAG vorgesehen­en Ausgleichs­masse fordern die Verbände ausdrückli­ch nicht. Ziche verweist darauf, dass das Gesetz bis 2021 gilt. Es wird aber darauf verwiesen, dass auch das FAG nicht geholfen habe, den Schuldenbe­rg der Kommunen abzutragen. Deren Kassenkred­ite summieren sich auf knapp 1,4 Milliarden Euro.

Damit sie nicht ewig auf diesen Schulden sitzen bleiben, regen die Verbände angesichts der derzeit günstigen Lage an den Kapitalmär­kten eine gemeinsame Anstrengun­g von Land und kommunaler Ebene an. Gelänge es, einen gemeinsame­n Fonds zu gründen und über diesen jährlich 40 Millionen Euro aufzubring­en, könnten die Kredite binnen 30 Jahren getilgt werden – deutlich schneller also, als beim bisherigen Tempo die Sanierung aller Kreisstraß­en dauert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany