nd.DerTag

Klagestimm­e

Dolores O’Riordan gestorben

- Von Christin Odoj

Für einige Teenager Mitte der 1990er Jahre war dieser Song wie ein gesungener Tagebuchei­ntrag. Keine Ahnung vom Nordirland­konflikt, aber was Dolores O’Riordan da sang, damit konnte man trotzdem etwas anfangen. Als Teenager begann das Fragen, was Familie bedeutet und warum sie so ist, wie sie ist. Warum es dieses Nicht-miteinande­r-Sprechen gibt und dazu passte grandios diese Textzeile: »In your head, in your head, they are fighting«. O’Riordans klagende, aber nicht leidende Stimme, die genau das meinte, was man verstehen wollte: Warum diese Distanz zwischen denen, die sich doch so nah sein sollten?

Das hatte zwar überhaupt nichts mit den zwei Jungen zu tun, über die O’Riordan in »Zombie« singt, die während eines Bombenansc­hlags der IRA im März 1993 im englischen Warrington starben, aber ihre Sorge um diese zwei getrennten Teile eines Ganzen, die kam einem bekannt vor. Das Lied wurde ein Riesenhit, genauso wie das Album »No Need to Argue« (1994), auf dem der Song, der 24 Wochen in den deutschen Charts stand, zu finden war. Erfolgreic­h war das Lied sicherlich nicht, weil Millionen Teenager weltweit an ihre zerstritte­nen Familien dachten, sondern weil O’Riordan diese einmalig eindringli­che Klagestimm­e besaß. In »Ode to my Family« reicht nur das Intro »Doo, doo, doo, doo, doo, doo ...«, um zu verstehen, was Geborgenhe­it bedeutet, da hat sie noch keine einzige Zeile des eigentlich­en Textes gesungen.

Das Lied stammt vom ersten Album »Everybody Else Is Doing It, So Why Can’t We?« der Cranberrie­s, wie sich die Band umO’Riordan und die beiden Brüder Noel und Mike Hogan und den Schlagzeug­er Fergal Lawler inzwischen nannte. Das klang wohl einprägsam­er als The Cranberry Saw Us, wie die Band, die sich 1989 im irischen Limerick gründete, hieß, bevor O’Riordan 1990 dazustieß. Sie schrieb nahezu alle Songs der Band. Das zweite Album verkaufte sich millionenf­ach.

1994 heiratete O’Riordan ihren Tourmanage­r, das Paar bekam vier Kinder. 2003 gaben die Cranberrie­s ihre vorläufige Trennung bekannt, und O’Riordan sagte damals: »Ich habe sie (die Kinder) mit uns auf Tour genommen und gemerkt, dass das nicht gut für sie war. Und außerdem waren wir in kreativer Hinsicht festgefahr­en. Wir brauchten eine Pause.«

Als Solokünstl­erin gelang der 1971 in Limerick geborenen O’Riordan nie die große Nummer. 2009 dann der Neubeginn mit den alten Cranberrie­s. Es folgten verschoben­e Albumaufna­hmen und Tourneen, weil O’Riordan zunehmend Rückenprob­leme plagten. 2017 dann die musikalisc­he Kapitulati­onserkläru­ng: Studioaufn­ahmen der alten Hits mit dem Irish Chamber Orchestra.

Für eine neue Aufnahme ihres größten Erfolges »Zombie« war O’Riordan dieser Tage nach London gereist. Am Montag fand man sie tot in ihrem Hotelzimme­r.

 ?? Foto: AFP/Guillaume Souvant ??
Foto: AFP/Guillaume Souvant

Newspapers in German

Newspapers from Germany