Hungerstreik bei VW India
Volkswagen Employees Union fordert Lohnerhöhungen, der Konzern will das Festgehalt reduzieren
Seite Ende 2016 gibt es im wichtigsten VW-Werk in Indien keinen Tarifvertrag mehr. Obwohl der Absatz des deutschen Konzerns gut läuft, verweigert er den Beschäftigten spürbare Lohnsteigerungen. Vor gut einem Jahrzehnt ist die indische Tochter von Volkswagen an den Start gegangen, und 2017 hat VW India ein Rekordergebnis erzielt. Jetzt aber gibt es Negativschlagzeilen: Elf Gewerkschafter vom Werk in Pune (Bundesstaat Maharashtra) sind für höhere Löhne in einen unbefristeten Hungerstreik getreten.
Gut 150 000 Fahrzeuge liefen voriges Jahr in der Fabrikanlage Pune vom Band. Das ist ein neuer Spitzenwert – gut 5000 Einheiten oder 3,5 Prozent mehr als 2016. In Pune werden der Polo, der Vento und der neue für den indischen Markt konzipierte Ameo produziert. Außerdem nutzt der indische Ableger der VW-Tochter Skoda das Werk zur Produktion seines Rapid. Während sich die Kapazitäten an diesem Standort auf 200 000 Fahrzeuge pro Jahr belaufen (die einzige Komplettfertigung im Land), gibt es unweit davon in Aurangabad noch ein zweites Werk, das auf bis zu 89 000 Einheiten ausgelegt ist. Produziert wird in der 2009 in Betrieb gegangenen Fabrik von Pune zu knapp 40 Prozent für den einheimischen und zu über 60 Prozent für den ausländischen Markt. 2017 gingen 57 000 Wagen gleich an eine der gut 100 Vertriebsstellen im Inland, die es mittlerweile in vielen Städten gibt. Der Rest war für den Export bestimmt.
Ungeachtet der Zunahme in Produktion und Umsatz hätten die Beschäftigten an diesem Wachstum keinerlei Anteil mehr, beklagen Gewerkschafter. Mit ihrem Hungerstreik wollen die Vertreter der Volkswagen Employees Union jetzt ein Zeichen setzen. Bereits im Dezember 2016 war der vormalige Tarifvertrag ausgelaufen, bis jetzt gibt es keinen neuen. »Seit 14 Monaten haben wir keinerlei Lohnsteigerung erhalten«, sagte Gewerkschaftschef Tushar Mhase der Tageszeitung »Times of India«. »Wir hatten ver- schiedene Gesprächsrunden, aber ohne Ergebnis.« Auch die Betriebsleitung bestätigte, dass die mittlerweile 36 Treffen zu keiner Einigung geführt hätten.
Während die Gewerkschaft eine spürbare reale Lohnsteigerung aushandeln will, geht es VW in erster Linie darum, eine Änderung der Berechnungsgrundlage durchzusetzen. Demnach sollen künftig nur 80 Prozent des Einkommens als garantierter Lohn gezahlt werden, die übrigen 20 Prozent nach Leistung, so wie dies in vielen VW-Werken rund um den Globus üblich sei. Auf ein solches Format wollen sich die Gewerkschaftsvertreter nicht einlassen. Statt allerdings die gesamte Belegschaft zur Arbeitsniederlegung aufzufordern, sind nun ihre Spitzenvertreter in den Hungerstreik getreten. Die Beschäftigten zeigen sich Medienberichten zufolge solidarisch, indem sie das im Werk angebotene Frühstück und Mittagessen verweigern.
Hungerstreik ist in Indien eine gängige Protestform, die schon Mahatma Gandhi im Unabhängigkeitskampf einsetzte. Mindestens zwei der protestierenden VW-Gewerkschafter sind inzwischen im Krankenhaus, die Betriebsleitung in Pune aber gibt sich bislang hart und spricht von unzulässigem Druck. Sie möchte die Produktion, die derzeit bei 500 Fahrzeugen pro effektivem Arbeitstag liegt, auf 550 weiter steigern – und dies eben an den neuen »Leistungslohn« koppeln. Georg Leutert, Chef der Automobilsparte beim internationalen Gewerkschaftsverbund IndustriALL, forderte Volkswagen zu Dialogbereitschaft und einer »fairen Lösung« in dem Konflikt auf.
Indiens Autoindustrie boomt mit dem Wachsen einer solventen Mittelschicht. Beim Branchenführer Maruti Suzuki hatte es zuletzt 2011/12 längere Streiks gegeben, 2014 waren die Beschäftigten zweier ToyotaWerke in Bangalore im Ausstand. Die heftigsten Zusammenstöße gab es 2016 in der Honda-Motorradfabrik Rajasthan, wo die Beschäftigten erst das Recht erstreiten mussten, eine Gewerkschaft zu gründen.
Ungeachtet der Zunahme in Produktion und Umsatz hätten die Beschäftigten am Wachstum keinerlei Anteil mehr, beklagen Gewerkschafter.