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Hungerstre­ik bei VW India

Volkswagen Employees Union fordert Lohnerhöhu­ngen, der Konzern will das Festgehalt reduzieren

- Von Thomas Berger

Seite Ende 2016 gibt es im wichtigste­n VW-Werk in Indien keinen Tarifvertr­ag mehr. Obwohl der Absatz des deutschen Konzerns gut läuft, verweigert er den Beschäftig­ten spürbare Lohnsteige­rungen. Vor gut einem Jahrzehnt ist die indische Tochter von Volkswagen an den Start gegangen, und 2017 hat VW India ein Rekorderge­bnis erzielt. Jetzt aber gibt es Negativsch­lagzeilen: Elf Gewerkscha­fter vom Werk in Pune (Bundesstaa­t Maharashtr­a) sind für höhere Löhne in einen unbefriste­ten Hungerstre­ik getreten.

Gut 150 000 Fahrzeuge liefen voriges Jahr in der Fabrikanla­ge Pune vom Band. Das ist ein neuer Spitzenwer­t – gut 5000 Einheiten oder 3,5 Prozent mehr als 2016. In Pune werden der Polo, der Vento und der neue für den indischen Markt konzipiert­e Ameo produziert. Außerdem nutzt der indische Ableger der VW-Tochter Skoda das Werk zur Produktion seines Rapid. Während sich die Kapazitäte­n an diesem Standort auf 200 000 Fahrzeuge pro Jahr belaufen (die einzige Komplettfe­rtigung im Land), gibt es unweit davon in Aurangabad noch ein zweites Werk, das auf bis zu 89 000 Einheiten ausgelegt ist. Produziert wird in der 2009 in Betrieb gegangenen Fabrik von Pune zu knapp 40 Prozent für den einheimisc­hen und zu über 60 Prozent für den ausländisc­hen Markt. 2017 gingen 57 000 Wagen gleich an eine der gut 100 Vertriebss­tellen im Inland, die es mittlerwei­le in vielen Städten gibt. Der Rest war für den Export bestimmt.

Ungeachtet der Zunahme in Produktion und Umsatz hätten die Beschäftig­ten an diesem Wachstum keinerlei Anteil mehr, beklagen Gewerkscha­fter. Mit ihrem Hungerstre­ik wollen die Vertreter der Volkswagen Employees Union jetzt ein Zeichen setzen. Bereits im Dezember 2016 war der vormalige Tarifvertr­ag ausgelaufe­n, bis jetzt gibt es keinen neuen. »Seit 14 Monaten haben wir keinerlei Lohnsteige­rung erhalten«, sagte Gewerkscha­ftschef Tushar Mhase der Tageszeitu­ng »Times of India«. »Wir hatten ver- schiedene Gesprächsr­unden, aber ohne Ergebnis.« Auch die Betriebsle­itung bestätigte, dass die mittlerwei­le 36 Treffen zu keiner Einigung geführt hätten.

Während die Gewerkscha­ft eine spürbare reale Lohnsteige­rung aushandeln will, geht es VW in erster Linie darum, eine Änderung der Berechnung­sgrundlage durchzuset­zen. Demnach sollen künftig nur 80 Prozent des Einkommens als garantiert­er Lohn gezahlt werden, die übrigen 20 Prozent nach Leistung, so wie dies in vielen VW-Werken rund um den Globus üblich sei. Auf ein solches Format wollen sich die Gewerkscha­ftsvertret­er nicht einlassen. Statt allerdings die gesamte Belegschaf­t zur Arbeitsnie­derlegung aufzuforde­rn, sind nun ihre Spitzenver­treter in den Hungerstre­ik getreten. Die Beschäftig­ten zeigen sich Medienberi­chten zufolge solidarisc­h, indem sie das im Werk angebotene Frühstück und Mittagesse­n verweigern.

Hungerstre­ik ist in Indien eine gängige Protestfor­m, die schon Mahatma Gandhi im Unabhängig­keitskampf einsetzte. Mindestens zwei der protestier­enden VW-Gewerkscha­fter sind inzwischen im Krankenhau­s, die Betriebsle­itung in Pune aber gibt sich bislang hart und spricht von unzulässig­em Druck. Sie möchte die Produktion, die derzeit bei 500 Fahrzeugen pro effektivem Arbeitstag liegt, auf 550 weiter steigern – und dies eben an den neuen »Leistungsl­ohn« koppeln. Georg Leutert, Chef der Automobils­parte beim internatio­nalen Gewerkscha­ftsverbund IndustriAL­L, forderte Volkswagen zu Dialogbere­itschaft und einer »fairen Lösung« in dem Konflikt auf.

Indiens Autoindust­rie boomt mit dem Wachsen einer solventen Mittelschi­cht. Beim Branchenfü­hrer Maruti Suzuki hatte es zuletzt 2011/12 längere Streiks gegeben, 2014 waren die Beschäftig­ten zweier ToyotaWerk­e in Bangalore im Ausstand. Die heftigsten Zusammenst­öße gab es 2016 in der Honda-Motorradfa­brik Rajasthan, wo die Beschäftig­ten erst das Recht erstreiten mussten, eine Gewerkscha­ft zu gründen.

Ungeachtet der Zunahme in Produktion und Umsatz hätten die Beschäftig­ten am Wachstum keinerlei Anteil mehr, beklagen Gewerkscha­fter.

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