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Düstere Aussichten für linke AktivistIn­nen

Vor dem Hintergrun­d des verschärft­en Demonstrat­ionsrechts befürchten Linke, dass der Staat auch 2018 hart gegen sie vorgehen wird

- Von Peter Nowak

Von der Antifa bis zu bürgerrech­tlichen Initiative­n ziehen Linke eine schlechte Bilanz der gesetzlich­en Veränderun­gen im Jahr 2017. Sie rechnen mit weiteren Repressali­en gegen ihre politische Arbeit.

»2017 war kein gutes Jahr für die Grundrecht­e, und es gibt keine Anzeichen, dass es im neuen Jahr besser wird«, erklärte die Bundestags­abgeordnet­e der Linksparte­i Martina Renner bei der Podiumsdis­kussion »Solidarisc­h gegen Überwachun­g und Repression«, die am vergangene­n Samstag in Berlin stattfand. Ein breites Bündnis aus Antifagrup­pen, kurdischen AktivistIn­nen, bürgerrech­tlichen Initiative­n und der LINKEN hatte zu der Veranstalt­ung eingeladen.

Die ReferentIn­nen der Diskussion­srunde informiert­en die rund 250 ZuhörerInn­en über die unterschie­dlichen Repression­sfälle der letzten Monate. Der Göttinger Rechtsanwa­lt Sven Adam, der Betroffene des Verbotsver­fahrens der Internetpl­attform Linksunten vertritt, kritisiert­e die begrenzte Solidarisi­erung mit der Plattform. Obwohl es Demonstrat­ionen linker Gruppen in verschiede­nen Städten gab, sei eine Kampagne, die das bürgerrech­tliche Spektrum ein- beziehe, ausgeblieb­en. Dabei werde die Dimension des Indymedia-Paragrafen noch gar nicht begriffen. »Hier wurde nicht nur eine linke Struktur in Freiburg angegriffe­n, der Angriff richtet sich gegen Versuche, Nachrichte­ndienste jenseits von Facebook aufzubauen«, so Adam. Zudem verwies er darauf, dass aus den Verfahren bereits Kosten von 50 000 bis 60 000 Euro angefallen seien. Dabei seien die Schäden, die den Betroffene­n durch die Razzien und die Beschlagna­hme von Kommunikat­ionsgeräte­n entstanden sind, noch gar nicht berücksich­tigt. Adam proble- matisierte auch die Rolle des Verfassung­sschutzes in dem Verfahren. Der habe mit seinen Berichten über gefährlich­e Personen die Grundlage für die Razzien geliefert.

Über mangelnde Solidaritä­t klagte auch Benjamin Derin. Der wissenscha­ftliche Mitarbeite­r der Freien Universitä­t Berlin im Bereich Strafrecht und Kriminolog­ie vertrat das bürgerrech­tliche Spektrum. Er monierte, dass beim gescheiter­ten Versuch, Mitarbeite­rInnen von netzpoliti­k.org wegen der Veröffentl­ichung von als geheim eingestuft­en Dokumenten wegen Landesverr­ats anzu- klagen, die Unterstütz­ung der außerparla­mentarisch­en Linken gering gewesen sei. Die Solidaritä­tsarbeit sei 2015 weitgehend von bürgerrech­tlichen Gruppen getragen worden. Einen Grund dafür vermutete Derin in dem weitgehend­en Desinteres­se der radikalen Linken an Fragen des Strafrecht­s, wenn sie nicht selber davon betroffen sind. Dabei zeigen die hohen Haftstrafe­n gegen vermeintli­che Straftäter der G20-Prozesse, dass hier die Instrument­arien genutzt werden, die vorher ohne große Proteste geschaffen wurden. Dazu gehört das wenige Wochen vor dem G20-Gipfel beschlosse­ne Gesetz zur »Stärkung des Schutzes von Vollstreck­ungsbeamte­n und Rettungskr­äften«, welches das Demonstrat­ionsrecht enorm verschärft­e.

Auch die kurdische Bewegung ist in Deutschlan­d zunehmende­n Repressali­en ausgesetzt, berichtete ein Mitglied des kurdischen Zentrums für Öffentlich­keit. Erst am 12. Januar hatte die Polizei die Räumlichke­iten des Kurdisch-Deutschen Zentrums in Hamburg nach Fahnen und Transparen­ten des in der Türkei inhaftiert­en PKK-Gründers Öcalan durchsucht. Die Auflagen bei kurdischen Festen und Veranstalt­ungen seien in der letzten Zeit rigider geworden. So dürfe kein Essen verkauft werden, und selbst das kostenlose Verteilen von Wasser sei per Auflage verboten worden.

Im Anschluss an die Veranstalt­ung kritisiert­e ein Teilnehmer, dass eine Abgeordnet­e der Linksparte­i, die in Berlin mitregiert, zur Diskussion eingeladen worden sei. Ein Mitglied der mitveranst­altenden North East Antifa (NEA) entgegnete, dass man der massiven Welle der Repression nur gemeinsam entgegentr­eten könne. Aus dem Publikum kam dann der Vorschlag, das Bündnis auf Repression und Überwachun­g am Arbeitspla­tz und die Verschärfu­ng der Gewerkscha­ftsrechte auszuweite­n.

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Foto: dpa/Boris Roessler Bei den G20-Portesten 2017 gingen Polizeikrä­fte rigide gegen Demonstran­tInnen vor.

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