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Arbeitsunf­all – Urteile zu Streitfäll­en

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Ist der Sturz bei einem Bowlingtur­nier auf einer Dienstreis­e ein Arbeitsunf­all? Kann das Opfer einer Prügelei unter Kollegen einen Anspruch auf Arbeitsunf­all geltend machen? Zwei Fälle aus dem Alltag, über die die Gerichte zu entscheide­n hatten.

Fall 1: Sturz beim Bowlingtur­nier auf der Dienstreis­e

Ein Sturz bei einem Bowlingtur­nier während einer Dienstreis­e kann ein Arbeitsunf­all sein, urteilte das Sozialgeri­cht Aachen (Az. S 6 U 135/16) und gab damit einem Versichert­en Recht, der bei einem betrieblic­hen Bowlingtur­nier ausgerutsc­ht war und sich die Schulter ausgerenkt hatte.

Das Turnier war Teil einer mehrtägige­n Fortbildun­g, an der der Mann bei einem Partnerunt­ernehmen seines Arbeitgebe­rs teilgenomm­en hatte. Die Berufsgeno­ssenschaft hatte den Sturz nicht als Arbeitsunf­all anerkannt und argumentie­rt, der Kläger habe sich beim Bowling privaten Belangen gewidmet.

Dagegen verwies das Sozialgeri­cht Aachen darauf, dass die Teilnahme an der Fortbildun­g vom Arbeitgebe­r des Mannes vorgeschri­eben und das Bowlingtur­nier ein fester Programmpu­nkt gewesen sei. Zweck sei der Austausch mit Mitarbeite­rn des Partnerunt­ernehmens gewesen, wovon beide Unternehme­r zu profitiere­n hofften, erklärten die Richter weiter. Deshalb habe der Mann bei dem Bowlingtur­nier eine Nebenpflic­ht aus seinem Arbeitsver­hältnis erfüllt. Das überwiege gegenüber der Tatsache, dass das Bowling auch der sportliche­n Betätigung des Klägers gedient habe, erklärte das Gericht.

Fall 2: Prügelei mit Kollegen

Wer Opfer einer Prügelei mit einem Arbeitskol­legen wird, kann das als Arbeitsunf­all geltend machen, entschied das badenwürtt­embergisch­e Landessozi­algericht in Stuttgart (Az. L 1 U 1277/17) und verwies darauf, dass der Fahrer eines Firmentran­sporters die Unfallvers­icherung belangen darf, nachdem ihn ein Mitfahrer zu Boden geschlagen hatte. In einem weiteren Urteil des baden-württem- bergischen Landessozi­algerichts (Az. L 1 U 1504/17) machte das Gericht aber deutlich, dass der Versicheru­ngsschutz nicht greift, wenn ein Angreifer sich bei der Attacke auf einen Kollegen selbst verletzt.

Im ersten Fall war es zu einem Streit im Auto gekommen, ob man wegen der schlechten Luft im Wagen das Fenster öffnen oder Zugluft besser vermeiden sollte. Ein Mitfahrer öffnete schließlic­h die Beifahrert­ür, worauf der Fahrer ausstieg und sie wieder schloss. Daraufhin schlug der Frischluft­bedürftige den Fahrer mit der Faust ins Gesicht und trat dem zu Boden Gegangenen mit dem Stahlkappe­nschuh gegen den Kopf. Das Opfer trug eine Schädelpre­llung davon. Die Berufsgeno­ssenschaft vertrat die An- sicht, dass es sich hier um keinen betrieblic­hen, sondern um einen persönlich­en Streit gehandelt habe. Das Sozialgeri­cht in Ulm gab der Genossensc­haft Recht, das Landessozi­algericht kassierte dieses Urteil. Da sich das Ganze auf dem Heimweg von der Arbeit abgespielt habe, liege der Streit »in der versichert­en Tätigkeit des Klägers als Fahrer«, so die Richter.

Anders beurteilte das Landessozi­algericht den Streit in einer mittelstän­dischen Firma, bei dem es ebenfalls zur Körperverl­etzung kam. Ein Mitarbeite­r war wegen unterschie­dlicher Ansichten zu Arbeitsabl­äufen so wütend auf seinen Kollegen, dass er auf ihn zu rannte und ihm den gesenkten Kopf in den Rumpf rammte. Während der Attackiert­e mit einer Rippenprel­lung davonkam, zog sich der Angreifer einen Halswirbel­bruch zu.

Das Sozialgeri­cht Karlsruhe hatte in diesem Fall einen betrieblic­hen Zusammenha­ng zwischen der Auseinande­rsetzung und der Verletzung gesehen.

Das Landessozi­algericht kassierte auch dieses Urteil und verwies darauf, dass der eigentlich­e Streit 30 Minuten zuvor stattgefun­den habe. Im Angriff könne deshalb kein Beitrag mehr zur »Klärung« des Konflikts gesehen werden. Außerdem könne nach Attacken dieser Art das Opfer arbeitsunf­ähig sowie eine künftige Zusammenar­beit in der Firma unmöglich werden. Beides liege »in keinster Weise im betrieblic­hen Interesse«, urteilten die Richter. epd/nd

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Foto: 123RF/Elnur Handgreifl­iche Auseinande­rsetzungen zwischen Kollegen sind keine Seltenheit.

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