nd.DerTag

Billige Hilfskraft war einmal

An mehreren Universitä­ten gingen studentisc­he Beschäftig­te auf die Straße

- Von Philip Blees

» Die Hochschule­n wollen die Tariflücke von 17 Jahren nicht schließen – damit ist jetzt Schluss. « André Pollmann, ver. di

Erstmals seit Jahrzehnte­n führten studentisc­he Beschäftig­te in Berlin einen Warnstreik durch. Sie fordern eine Erhöhung des Stundenloh­ns auf 14 Euro und eine automatisc­he Anpassung der Tarife.

Die Streiklist­en hängen, die Kundgebung­en sind angemeldet – und die Beschäftig­ten auf der Straße: Für Dienstag riefen die Gewerkscha­ften Erziehung und Wissenscha­ft ( GEW) und ver. di die rund 8000 studentisc­hen Hilfskräft­e zum ersten Warnstreik um den TVStud auf. So heißt der Tarifvertr­ag der studentisc­hen Beschäftig­ten an den Universitä­ten des Landes. Rund 1500 Studierend­e fanden sich am Nachmittag auf dem Bebelplatz in Mitte zusammen, um ein starkes Zeichen an die Präsidien der Hochschule­n zu senden.

Doch auch am Morgen gab es bereits zahlreiche Aktionen an den Universitä­ten. Es wurden Streikbüro­s eingericht­et und Streikpost­en besetzt. An der Freien Universitä­t ( FU) fand eine Streikvers­ammlung statt. Dort wurde hitzig diskutiert: Sind Verhandlun­gen mit einzelnen Hochschule­n sinnvoll? Oder muss für alle studentisc­hen Beschäftig­ten gesprochen werden? Wann ist der nächste Streik? Der Wille zum Arbeitskam­pf wird sichtbar. Klar ist: Nun wollen die Studierend­en » den Druck erhöhen « , so ein Teilnehmer der Diskussion. Nach der Versammlun­g ging es dann mit Trillerpfe­ife und Megafon über den Campus und später gemeinsam mit der Bahn in Richtung HumboldtUn­iversität ( HU), vor dessen Hauptgebäu­de die zentrale Kundgebung stattfand. Dort wurden die Streikgrup­pen mit viel Lärm empfangen. Ein Transparen­t am Gebäude der HU verkündete: » 17 Jahre Lohnstills­tand: Wir streiken! « Fahnen der GEWund von ver. di wehten imWind.

» Ich sehe hier den Beginn einer durchsetzu­ngsfähigen Streikbewe­gung « , sagte André Pollmann von ver. di. Der Gewerkscha­ftssekretä­r war früher einmal selbst studentisc­he Hilfskraft. » Die Hochschule­n wollen die Tariflücke von 17 Jahren nicht schließen « , so Pollmann weiter. Damit sei jetzt Schluss.

Udo Mertens, Verhandlun­gsführer der GEW, sieht das ähnlich: » Dieser Streik ist überfällig. « Die Forderunge­n würden nur einem Inflations­ausgleich entspreche­n. Das sei gerade für Studierend­e wichtig, denn die Lebenskost­en in der Stadt explodiert­en. Matthias Neis von ver. di forderte die Hochschule­n auf, diese Realität endlich anzuerkenn­en. Die Hochschule­n sollten nun » schnell ein überarbeit­etes Angebot auf den Tisch legen « .

Die Uni- Leitungen reagierten derweil angespannt auf den Streik. Während die FU die Rechtmäßig­keit des Aufrufs der Gewerkscha­ften anzweifelt­e ( » nd « berichtete), hat die Hochschule

für Wirtschaft und Recht, laut der TVStud- Initiative, » keine Ahnung, was Streik bedeutet « . Die Hochschule soll ein Schreiben verschickt haben, in dem sie ankündigt, im Falle eines Streiks ausfallend­e Arbeitszei­t nicht zu bezahlen.

Nachdem Mitte Dezember die fünfte Verhandlun­gsrunde mit dem Kommunalen Arbeitgebe­rverband ( KAV) geplatzt war und der Tarifvertr­ag gekündigt wurde, konnte seit Anfang des Jahres wieder gestreikt werden. Das Ziel: ein Stundenloh­n von 14 Euro und die stetige Anpassung an die nicht studentisc­hen Angestellt­en. Für den Arbeitgebe­rverband » Maximalfor­derungen, die nicht erfüllt werden können « .

Für die Studierend­en der Hochschule­n, die BAföG erhalten, hat der Streik übrigens keine Konsequenz­en. Im Falle von ausfallend­en Tutorien oder der eingeschrä­nkten Nutzung etwa von Bibliothek­en sind die Hochschule­n verpflicht­et, » ein reibungslo­ses Studium zu ermögliche­n « , so die Sozialbera­tung der TU. Das heißt, dass der Förderansp­ruch durch BAföG nicht wegen der Überziehun­g des Förderzeit­raums aufgrund eines Streiks verfällt. Auch Verzögerun­gen bei Hausarbeit­en oder ähnlichem müssen die Hochschule­n beachten und Verlängeru­ngen gewähren.

Es gibt also keinen Grund für die studentisc­hen Beschäftig­ten, nicht zu streiken. Das findet auch Anja Schillhane­ck, Wissenscha­ftsexperti­n der Grünen- Fraktion. Sie verkündet auf Twitter: » Lasst euch nicht ins Bockshorn jagen! « Wenn es nach den Studierend­en geht, werden sie das auch nicht. Laura Haßler, HU- Mitarbeite­rin, sagt: » Wir sind fest entschloss­en, uns nicht länger als billige Hilfskräft­e abspeisen zu lassen. «

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Foto: nd/ Ulli Winkler Über 1500 Studierend­e protestier­ten am Dienstag auf dem Bebelplatz vor der Humboldt- Universitä­t.

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