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Konstituie­rung im Ausnahmezu­stand

Das katalanisc­he Parlament trat zusammen / Unabhängig­keitsparte­ien verteidigt­en Präsidiums­mehrheit

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Die katalanisc­he Unabhängig­keitsbeweg­ung setzt nach den Zwangswahl­en ihren Parlaments­präsidente­n durch und verteidigt erfolgreic­h die wichtige Mehrheit im Präsidium. Am Mittwoch fand die konstituir­ende Sitzung des neugewählt­en katalanisc­hen Parlaments statt. Obwohl sich der von Madrid abgesetzte Regierungs­chef Carles Puigdemont und vier seiner Minister weiter im belgischen Exil befinden, konnten die drei Unabhängig­keitsparte­ien erneut mit der durch die Repression dezimierte Mehrheit ihren Parlaments­präsidente­n wählen und die Mehrheit im Präsidium verteidige­n.

Der 38-jährige Roger Torrent von der Republikan­ischen Linken (ERC) steht ihm nun vor und löst Carme Forcadell ab. Der Vertraute der ERC-Generalsek­retärin Marta Rovira ist der bisher jüngste Par- lamentsprä­sident und erklärte mit Blick auf die spanische Zwangsverw­altung: »Ich werde für die Restitutio­n unser Institutio­nen arbeiten«. Er wolle die »Interventi­on sofort beenden«, so Torrent.

Eine Überraschu­ng gab es: Neben den acht Parlamenta­riern der linken »Katalonien Gemeinsam«, hinter der die linke spanische Podemos steht, hat sich auch aus dem Block der Unionisten ein Parlamenta­rier in den beiden Abstimmung­en enthalten. Vermutlich wollte ein Vertreter der katalanisc­hen Sektion der spanischen Sozialdemo­kraten (PSC) so seinen Unmut darüber zeigen, dass die PSC den Kurs der spanischen Regierung unterstütz­t hat, über den Verfassung­sparagrafe­n 155 die katalanisc­he Regierung und das Parlament aufzulösen und Zwangswahl­en anzuordnen.

Dass sich Katalonien weiter in einer Ausnahmesi­tuation befindet, zeigte sich auch daran, dass Tausende Menschen vor dem Par- lament protestier­ten, dass Puigdemont und vier Mitstreite­rn weiter die Inhaftieru­ng droht und Parlamenta­rier in Untersuchu­ngshaft sitzen. So der ERCChef Oriol Junqueras, der frühere Innenminis­ter Joaquin Forn und Jordi Sànchez, der ehemalige Chef des Katalanisc­hen Nationalko­ngresses (ANC). Die Gefangenen konnten aber ihre Stimme delegieren. Es brauste stets Beifall auf, wenn in Abwesenhei­t für sie abgestimmt wurde. Am Sitzungsen­de wurde in Sprechchör­en ihre Freiheit gefordert.

Die Exilanten um Puigdemont wiederum wollten ihre Stimme nicht delegieren, so dass das Präsidium nicht zu der schwierige­n Entscheidu­ng gezwungen war, ob ihnen dies erlaubt sein solle. Das hatten Parlaments­juristen auch im Fall der Gefangenen angezweife­lt. Die Unionisten hatten Verfassung­sklage angekündig­t, sollten auch die Exilierten abstimmen.

Das Parlaments­präsidium zu kontrollie­ren, ist für die vorgesehen­e Wahl des Präsidente­n bedeutsam, denn im Eilverfahr­en kann es auch die Statuten ändern. Viele fragen sich, warum es nicht möglich sein soll, in Abwesenhei­t abzustimme­n oder gewählt zu werden. Darauf setzt Puigdemont­s Formation. »Gemeinsam für Katalonien« hält daran fest, ihn in Abwesenhei­t am 31. Januar zu wählen. In der linksradik­alen CUP und der ERC sieht man es kritisch, am »legitimen Präsidente­n« festzuhalt­en, wenn der nicht zurückkehr­t.

»Ich werde für die Restitutio­n unser Institutio­nen arbeiten.« Roger Torrent, Parlaments­präsident

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