nd.DerTag

Karlsruhe überprüft Streikverb­ot für Beamte

Innenminis­ter de Maizière verteidigt Grundsatz persönlich vor dem Bundesverf­assungsger­icht

-

Zwischen Staat und Beamten besteht ein besonderes Treue- und Fürsorgeve­rhältnis. Der Grundsatz, dass nicht gestreikt wird, muss sich der Überprüfun­g vor dem Bundesverf­assungsger­icht stellen.

Karlsruhe. Das seit Jahrzehnte­n geltende Streikverb­ot für Beamte in Deutschlan­d steht auf dem Prüfstand. Das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe verhandelt­e am Mittwoch darüber, ob beamtete Lehrer streiken dürfen. Dem Verfahren wird auch eine grundsätzl­iche Bedeutung für das gesamte Berufsbeam­tentum zugesproch­en. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigt­e vor dem Verfassung­sgericht das Streikverb­ot für Beamte.

Aus dem Grundgeset­z wird ein generelles Streikverb­ot für Beamte abgeleitet. Ob es bei einem strikten Verbot bleibt, müssen nun die Verfassung­srichter entscheide­n. Ihnen liegen vier Verfassung­sbeschwerd­en von beamteten Lehrern aus Niedersach­sen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein vor. Gegen sie wurde disziplina­rrechtlich vorgegange­n, weil sie sich an Protestver­anstaltung­en oder Streiks der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) beteiligte­n (»nd« berichtete).

Gerichtspr­äsident Andreas Voßkuhle hob zu Beginn der Verhandlun­g hervor, dass von dem Verfahren eine »erhebliche Breitenwir­kung« ausgehe. »Es wäre vielleicht übertriebe­n, dass im vorliegend­en Verfahren über die Zukunft des Berufsbeam­tentum entschiede­n wird«, sagte Voßkuhle. Die Entscheidu­ng habe aber sicherlich erhebliche Bedeutung. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.

Die Gegner des Streikverb­ots argumentie­ren, dass die im Grundgeset­z garantiert­e Koalitions­freiheit ein Streikrech­t jedenfalls für beamtete Lehrer gewährleis­te. Sie berufen sich aber vor allem auf Entscheidu­ngen des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte (EGMR) aus den Jahren 2008 und 2009 zum Streikrech­t türkischer Beamter.

Die Straßburge­r Richter bezeichnet­en die Koalitions­freiheit und damit auch das Streikrech­t mit Verweis auf die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion als ein Menschenre­cht, das den Beschäftig­ten nicht einfach mit Verweis auf einen Beamtensta­tus abgesproch­en werden könne. Einzige Ausnahme seien Beamte, die wie etwa bei Polizei, im Justizvoll­zug, Finanzbeam­te oder Soldaten hoheitlich tätig sind.

Die Frage, wie die Verfassung­srichter mit diesen europäisch­en Urteilen umgehen, dürfte mitentsche­idend für das Verfahren sein. Auch die mündliche Verhandlun­g drehte sich stark um die Frage, welche Bedeutung die Menschenre­chtskonven­tion und die EGMR-Urteile für das deutsche Berufsbeam­tentum und das Streikrech­t haben.

Innenminis­ter de Maizière (CDU) verteidigt­e in Karlsruhe das Streikverb­ot für Beamte. Beamte seien in gewisser Weise privilegie­rt, weil sie beispielsw­eise nicht kündbar seien. Dem stünden Pflichten gegenüber. »Eine Rosinenpic­kerei darf es nicht geben«, sagte der Minister. Es handle sich um ein Gesamtsyst­em, »das ohne Streikverb­ot seinen Sinn verlöre«. De Maizière zeigte sich zudem überzeugt, dass sich Deutschlan­d mit seinen Regelungen innerhalb der Spielräume der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion bewege. Die Bundesregi­erung sei überzeugt, dass das Streikverb­ot für alle Beamten verfassung­sgemäß sei.

Die GEW-Vorsitzend­e Marlis Tepe fordert dagegen ein Ende des strikten Streikverb­ots. Den verbeamtet­en Lehrern solle ein Grundrecht nicht vorenthalt­en werden, sagte Tepe am Rande des Verfahrens. Das Streikrech­t sei wichtig, um auf Augenhöhe kämpfen zu können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany