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Keine Tauschgesc­häfte in Ankara

Yücel: Für Deals stehe ich nicht zur Verfügung / Reporter zu Haftstrafe­n verurteilt

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Der Journalist Deniz Yücel hat sich umfassend zu seiner Inhaftieru­ng geäußert und erklärt, dass er diplomatis­che Deals ablehnt. Außenminis­ter Sigmar Gabriel bestritt, dass es solche je gegeben habe.

Der seit elf Monaten in der Türkei inhaftiert­e »Welt«-Korrespond­ent Deniz Yücel lehnt einen etwaigen Tauschhand­el zwischen Berlin und Ankara für seine Freilassun­g ab. »Für schmutzige Deals stehe ich nicht zur Verfügung«, sagte Yücel in einem schriftlic­h über seine Anwälte geführten Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Er wolle seine Freiheit nicht »mit Panzergesc­häften von Rheinmetal­l oder dem Treiben irgendwelc­her anderen Waffenbrüd­er befleckt wissen«. Auch wolle er keinen Austausch mit Anhängern der Gülen-Bewegung, nach denen die Türkei fahndet.

Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) distanzier­te sich von den Äußerungen Yücels. Schmutzige Deals gebe es nicht, sagte Gabriel in Berlin. »Es ist übrigens auch gegenüber der Türkei nicht sinnvoll, auch nur in solchen Kategorien zu denken.« Wenn man sich wirklich um bessere Beziehunge­n bemühen wolle, müssten beide Länder Respekt voreinande­r haben und sich nicht unterstell­en, man wolle »irgendwie Nebengleis­e betreten«. Gabriel äußerte zwar auch Verständni­s für Yücel: »Ich hab das gelesen von Herrn Yücel, ich verstehe aus seiner Sicht sein Interview.« Aber er fügte hinzu: »Ich kann nur sagen: Es gibt doch gar keinen Anlass dafür.« Beide Länder hätten ein Interesse, dass sich die Beziehunge­n normalisie­rten und man auch in Bündnissen wie der NATO wieder normal miteinande­r umgehe. »Das hat mit Herrn Yücel erst mal gar nichts zu tun.«

Dem »Spiegel« hatte Gabriel kürzlich gesagt, die Türkei sei zwar NATO-Partner. »Trotzdem hat die Bundesregi­erung eine sehr große Anzahl von Rüstungsex­porten nicht genehmigt. Dabei wird es auch bleiben, solange der Fall Yücel nicht gelöst ist.« Gabriel betonte danach allerdings, er habe damit nicht gemeint, dass die Bundesregi­erung Rüstungsli­eferungen als Reaktion

auf eine Freilassun­g Yücels genehmigen würde. »Ich habe keinesfall­s die beiden Dinge miteinande­r verbunden.« Der Fall Yücel ist der größte Streitpunk­t mit Ankara.

Trotz des belasteten Verhältnis­ses werden Regierungs­konsultati­onen zwischen Deutschlan­d und der Türkei wieder aufgenomme­n. Ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums teilte mit, im Ministeriu­m habe an diesem Mittwoch ein Treffen auf Staatssekr­etärsebene stattgefun­den. Dabei sei es um Fragen der Terrorismu­sbekämpfun­g gegangen.

Eine Sprecherin des Auswärtige­n Amtes sagte, seit dem Gespräch zwischen Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) und seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu am 6. Januar gebe es keine wesentlich­en neuen Entwicklun­gen. Nach der geplanten Wiederaufn­ahme des strategisc­hen Dialogs zwischen beiden Staaten wolle man mit der Türkei über die Krisen im Nahen Osten und die Lage im Jemen sprechen.

Deutschlan­d hat indes die Ermittlung­en gegen Unterstütz­er der verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK verstärkt. Die Zahl der eingeleite­ten Ermittlung­sverfahren sei von rund 15 im Jahr 2013 auf etwa 130 im vergangene­n Jahr gestiegen, sagte ein Sprecher der Bundesanwa­ltschaft in Karlsruhe der dpa. Die Türkei hat von Deutschlan­d wiederholt ein härteres Vorgehen gegen die PKK verlangt. Die PKK wird in der Türkei, der EU und in den USA als Terrororga­nisation eingestuft.

Die »Welt« berichtete, von Januar bis November 2017 hätten insgesamt 7952 türkische Staatsange­hörige in der Bundesrepu­blik einen Asylantrag gestellt. Nach Angaben des Bundesinne­nministeri­ums waren darunter 3953 Personen, die als Volkszugeh­örigkeit »Kurden« angaben. Im selben Zeitraum haben zudem 622 türkische Spitzenbea­mte, Militärs und Diplomaten sowie deren Angehörige Asyl beantragt.

In einem weiteren Interview – mit der linken türkischen Tageszeitu­ng »Evrensel« – sagte Yücel, dass er es nicht bereue, nach Istanbul gekommen zu sein. »Ich wusste ja, dass ich in ein Land komme, in dem ›die Presse frei wie sonst in keinem anderen Land‹ ist«. Derweil meldeten Nachrichte­nagenturen, dass fünf regierungs­kritische Journalist­en wegen Terrorprop­aganda zu Haftstrafe­n bis zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt wurden.

»Ich wusste ja, dass ich in ein Land komme, in dem ›die Presse frei wie sonst in keinem anderen Land‹ ist.« Deniz Yücel, Journalist

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