Mordopfer in Kosovo mit vielen Feinden
Sorge vor neuen Spannungen in der Region
Nach dem Attentat auf den Serbenpolitiker Ivanovic haben am Mittwoch vor dem Hauptsitz seiner Partei in Mitrovica zahlreiche Menschen von dem Ermordeten Abschied genommen. Die Todesschüsse waren nicht zu hören. Vermutlich verwendete der Attentäter einen Schalldämpfer, als er am Dienstagmorgen im Norden der geteilten Kosovo-Metropole Mitrovica den liberalen Serbenführer Oliver Ivanovic vor dem Büro seiner Partei mit vier Schüssen in die Brust niederstreckte. Alle Reanimierungsversuche kamen zu spät: Der 64-jährige Familienvater erlag nach der Einlieferung in die Klinik seinen Verletzungen.
Die Polizei vermutet, dass die Schüsse aus einem Opel Astra abgefeuert wurden, der in der Ortschaft Zvecan ausgebrannt aufgefunden wurde. Sowohl Kosovos Präsident Hashim Thaci als auch Premier Ramush Haradinaj verurteilten den Auftragsmord im serbisch besiedelten Norden des Landes. Als »Versuch, die serbische Nation in Kosovo ins Chaos eines höllischen Konflikts zu stürzen«, bewertete Marko Djuric, der Chef von Serbiens Kosovo-Kanzlei, das Attentat in dem von Belgrad noch nicht anerkannten Nachbarstaat.
Dabei ist keineswegs ausgemacht, dass Kosovo-Albaner hinter dem Mord an dem Politiker stehen. Nicht nur in Nordkosovo, sondern auch in Belgrad hatte Ivanovic als unbequemer Oppositionspolitiker und Befür- worter eines pragmatischen Ausgleichs mit den Kosovo-Albanern viele Feinde. An dem neben Serbisch auch fließend Albanisch, Englisch und Italienisch sprechenden Ingenieur schieden sich in seiner Heimat stets die Geister. Nationalistische Kosovo-Serben beschimpften ihn als Verräter. Vielen Kosovo-Albanern galt er dagegen als Kriegsverbrecher. Wegen angeblicher, von ihm stets vehement bestrittener Gräueltaten an der albanischen Zivilbevölkerung während des Kosovokrieges 1999 saß er zwischen 2014 und 2017 über drei Jahre in Untersuchungshaft. Doch die Verurteilung zu neun Jahren Haft in erster Instanz wurde wegen Zweifeln an den dünnen Beweisen im Vorjahr in der Berufungsinstanz aufgehoben – und die Neuansetzung des Prozesses angeordnet.
Nach seiner vorläufigen Freilassung war Ivanovic im Herbst bei Kosovos Kommunalwahlen als Spitzenkandidat eines Oppositionsbündnisses gegen die von Belgrad unterstützte Serbische Liste angetreten. Während des Wahlkampfs wurde sein Auto in Brand gesetzt. Mehrere Mitstreiter zogen nach anonymen Drohungen ihre Kandidatur zurück. Bereits 2013 hatte Ivanovic nach einem Brandanschlag auf sein Büro in einem Interview die »Wildwest-Zustände« in Nordkosovo beklagt: »Es gibt hier viel Gewalt und Angst vor der Gewalt. Die Institutionen, die wir haben, wirken wie sehr kleine Katzen – und unsere Kriminellen wie große Ratten. Und die können kleine Katzen leicht fressen.«