»Die Angst ist wieder da«
In Senegal droht nach Mord an 16 Holzfällern das Aufflammen alter Konflikte
In der Region Casamance mischen Rebellen, Behörden und die Bevölkerung beim Geschäft mit illegal geschlagenen Holz mit. Aber es geht nicht nur um Ressourcenverteilung. »Die Angst ist wieder da«, sagt die in Ziguinchor lebende Menschenrechtsund Friedensaktivistin Léonie Gomis. »Die letzten Nächte haben wir gar nicht die Augen zumachen können. Wir hören Schüsse und Detonationen, die die Wände erzittern lassen.«
Vermummte und bewaffnete Männer töteten am 6. Januar 16 Holzfäller in einem Wald in der Nähe des Dorfes Bofa, rund 18 Kilometer von Ziguinchor entfernt. Das brutale Massaker schockiert nicht nur die Dorfbewohner, die vom Anbau von Cashewnüssen und Reis leben; das westafrikanische Land zeigt sich betroffen. Denn um die Region Casamance war es in den letzten Jahren still geworden. Nun hat die Armee wieder das Kommando im Wald unweit Ziguinchors, der Großstadt in der ärmsten Region Senegals, übernommen.
Casamance ist seit den 1980er Jahren politisch instabil, Rebellengruppen kämpften für die Unabhängigkeit vom Senegal. Nach einer mehrjährigen Ruhephase fürchten die Menschen nun die Rückkehr des bewaffneten Konflikts. Dabei waren in den letzten zehn Jahren viele geflüchtete Dorfbewohner aus den umliegenden Regionen und Ländern zurückgekehrt. In der Hauptstadt Dakar kam die bewaldete Region nur noch in den Nachrichten vor, wenn die Regierung neue Entwicklungsprogramme ankündigte oder das Ende des illegalen Holzhandels versprach. Der floriert, illegal geschlagenes Holz wird über die Grenze nach Gambia und nach Guinea-Bissau gebracht, um von dort nach China exportiert zu werden.
Am Sonntag hat die senegalesische Gendarmerie mit Unterstützung der Armee 22 Leute festgenommen. In der regierungsnahen Tageszeitung »Le Soleil« wurden sie als illegale Holzfäller gebrandmarkt. Einer der Festgenommenen ist jedoch der aus der Casamance stammende Journalist René Capain Bassène. Er hatte ein kritisches Buch zum Konflikt in der Casamance veröffentlicht.
Léonie Gomis, Vizepräsidentin der Menschenrechtsorganisation »Afrikanische Versammlung zur Verbesserung der Menschenrechte« und der »Frauenfriedensinitiative in der Casamance«, erklärt: »In Zigunichor denken die Menschen, dass die Rebellen am Massaker irgendwie beteiligt waren.« Die Rebellenorganisation »Bewegung demokratischer Kräfte in Casamance« leugnete in einer Erklärung aber jegliche Verantwortung. Sie macht den illegalen Holzabbau und die Drahtzieher der Geschäfte verantwortlich und beschuldigt den Staat, darin verwickelt zu sein.
Gomis glaubt, dass sowohl die die Rebellen, die Bevölkerung als auch die Behörden bei den Rodungen mitmischen. Die ermordeten Holzfäller sind Bewohner der Vororte von Ziguinchor. Sie bessern mit ihrer Arbeit im Wald die kargen Einkommen ihrer Familien auf. Wenn sie nicht für die Holzmafia arbeiten, dann gehen sie in den Wald um Holzkohle herzustellen.
Vor Wochen kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Holzfällern und dem »Lokalen Komitee für den Erhalt des Waldes«, Dorfbewohnern, die vorgeben, den Wald schützen zu wollen. Das Gericht verurteilte die Mitglieder des Komitees zu einem Monat Gefängnis, Ende Dezember kamen sie frei. Nun waren einige von ihnen unter den 22 Festgenommen. Laut Bericht des Radiosenders RFI hat ein Überlebender des Massakers erklärt, dass statt den Wald zu schützen, Komiteemitglieder Geld von den Holzfällern kassierten. Aber diese wollten nicht mehr zahlen. Jean-Claude Marut, Wissenschaftler
Die Wälder sind das Rückzugsgebiet der Rebellen. Möglicherweise war ihnen das Treiben der Holzfäller zu viel geworden. »Das Problem ist,« erzählt Gomis weiter, »dass wir immer noch keine Frieden haben. Die Waffen sind zwar verstummt, aber die Akteure sind noch im Busch«. Nun sei die Regierung gefragt, die endlich mit allen Rebellengruppen reden solle.
Der Wissenschaftler Jean-Claude Marut bestätigt die verworrene Lage. »Die Frage der Verantwortung für das Massaker ist fast zweitrangig. Hier hat man es mit zwei ungelösten Krisen zu tun«, erklärt er. »Zum einen der Kampf um die Ressource Holz. Zum anderen die ungelöste Frage des Friedens.« Marut glaubt, der senegalesische Staat habe einen Fehler begangen, als er nur mit einer der Rebellengruppen Verhandlungen aufgenommen habe, der als am gefährlichsten eingestuften Salif Sadio. »Der senegalesische Staat hat die Frustrationen der anderen Rebellengruppen unterschätzt. Egal, ob die Rebellen für das Massaker verantwortlich waren oder nicht, Vorfälle wie diese helfen ihnen wieder an Sichtbarkeit zu gewinnen.« Marut wie auch Gomis glauben jedoch nicht an ein erneutes Aufflammen des Konflikts. Die Armee durchkämmt indessen weiter den Wald in der Casamance.
»Der senegalesische Staat hat die Frustrationen der anderen Rebellengruppen unterschätzt.«