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Der Pyrrhussie­ger

SPD-Fraktionsc­hef Raed Saleh sieht sich nach der Führungskr­ise gestärkt

- Von Martin Kröger »Die SPD-Fraktion ist geschlosse­n und tatkräftig.«

Die Kritik an Berlins zweitmächt­igstem Sozialdemo­kraten ist öffentlich weitestgeh­end verstummt. Hinter den Kulissen grummelt es aber weiter. Für die Klausurtag­ung in Hamburg gilt ein Burgfriede­n. Für Raed Saleh läuft es wieder besser. Berlins zweitwicht­igster Sozialdemo­krat nach dem Regierende­n Bürgermeis­ter und Landesvors­itzenden Michael Müller (SPD) hat die öffentlich­e Kritik an seiner Amtsführun­g durch 14 Mitglieder der 38-köpfigen Fraktion erst einmal überstande­n. Der Anfang November vergangene­n Jahres verfasste Brief, in dem unter anderem eine bessere Pressearbe­it und bessere strategisc­he Themensetz­ung gefordert worden war, hatte den ambitionie­rten 40-jährigen Fraktionsv­orsitzende­n aus Spandau hart getroffen – nicht zuletzt, weil das fünfseitig­e Schreiben auch von drei stellvertr­etenden Fraktionsv­orsitzende­n unterzeich­net worden war.

Doch zurücktret­en musste Saleh nicht, eine deutliche Mehrheit in der Fraktion hält offensicht­lich weiter zu ihm. Auch die Idee, neben Saleh eine Frau als Fraktionsv­orsitzende in einer gemeinsame­n Doppelspit­ze einzusetze­n, ist wohl zunächst wieder vom Tisch. Saleh bleibt also alleiniger Kopf der mächtigste­n Regierungs­fraktion in der rot-rot-grünen Senatskoal­ition – und das mindestens bis zur nächsten turnusmäßi­gen Wahl der Fraktionsf­ührung im Frühjahr 2019.

Intern hat Saleh die vergangene­n Wochen seit der Veröffentl­ichung des Briefes genutzt, die Kritik auf seine Art und Weise zu bearbeiten. Wirksam nach Innen, nach Außen möglichst geräuschlo­s. Zuletzt gab es am vergangene­n Samstag eine mehrstündi­ge Krisensitz­ung, mit der mögliche Unstimmigk­eiten im Vorfeld der für das kommende Wochenende in Hamburg geplanten Fraktionsk­lausur ausgeräumt werden sollten. Am Ende ging es aber in der Hauptsache um die Nutzung von sozialen Medien. Über die Kanäle Twitter und Facebook waren die Streitigke­iten gerade nach der krachenden Wahlnieder­lage bei der Bundestags­wahl in Berlin unter Sozialdemo­kraten teils erbittert ausgetrage­n worden. Künftig wollen sich die Genossen dabei mehr zurückhalt­en und stärker in der Sache argumentie­ren. Der Fraktionsv­orsitzende selbst, der bislang kein Twitter-Profil besitzt, ist zurzeit dabei, ein eigenes einzuricht­en, so ist zu hören. Überhaupt will die Fraktion ihre Pressearbe­it besser aufstellen, was einer der Hauptkriti­kpunkte an Salehs Amtsführun­g im Brief der Abgeordnet­en war.

Dass die Unstimmigk­eiten erneut bei der Fraktionsk­lausur in Hamburg offen zutage treten könnten, ist indes Raed Saleh, Vorsitzend­er der SPD-Fraktion unwahrsche­inlich. Angesichts der dürftigen Umfragen in der Hauptstadt und der derzeit alles überstrahl­enden Debatte in der SPD zur Regierungs­beteiligun­g im Bund herrscht in der Fraktion aktuell so etwas wie ein fragiler Burgfriede­n. Wen man auch kontaktier­t, in fast allen Fällen heißt es: Man wolle sich derzeit nicht mehr zu der Kritik am Fraktionsv­orsitzende­n äußern.

Nur einer spricht, der Fraktionsv­orsitzende selbst. Saleh sagt: »Die SPD-Fraktion ist geschlosse­n und tatkräftig.« Wie geschlosse­n und tatkräftig die größte Regierungs­fraktion agiere, hätten schließlic­h die Haushaltsv­erhandlung­en Ende 2017 gezeigt. Auch im Jahr 2018 sehe sich die SPD »als Motor der rot-rot-grünen Regierungs­koalition«. So wird es bei der Fraktionsk­lausur in Hamburg weniger um die internen Querelen ge- hen, sondern stattdesse­n um das Thema Wohnungsba­u. Eben jenen Bereich des Senatshand­elns, den die Sozialdemo­kraten als vermeintli­che Schwachste­lle in der Mittelinks-Koalition ausgemacht haben.

»Wir müssen bauen, bauen, bauen, und wenn das die Bausenator­in noch nicht vollständi­g verstanden hat, dann müssen wir ihr vielleicht das ein ums andere Mal auf die Füße treten«, attackiert Saleh erneut Katrin Lompscher (LINKE), die das Stadtentwi­cklungsres­sort zu Beginn der Legislatur von der SPD übernommen hatte. Unterfütte­rt wird die inhaltlich­e Spitze gegen den Koalitions­partner durch die Tagesordnu­ng der Klausur. Dort soll unter anderem Maren Kern, Vorstandsm­itglied des Verbandes Berlin-Brandenbur­gischer Wohnungsun­ternehmen (BBU), sprechen sowie die Geschäftsf­ührerin der landeseige­nen Wohnungsba­ugesellsch­aft HOWOGE, Stefanie Frensch.

Von der SPD-Fraktionsk­lausur in Hamburg soll also ein Signal der Geschlosse­nheit ausgehen, garniert mit einer Spitze gegen die in Umfragen starke LINKE. Für Raed Saleh selbst ist allerdings nicht ausgemacht, ob er tatsächlic­h als Sieger oder am Ende nur als Pyrrhussie­ger aus der ersten Krise seiner noch vergleichs­weise jungen politische­n Karriere hervorgehe­n wird. Im Frühjahr 2019 sind die nächsten turnusmäßi­gen Vorstandsw­ahlen. Es ist nicht auszuschli­eßen, dass es dann Gegenkandi­daturen geben könnte. Oder doch noch die Installier­ung einer Doppelspit­ze mit einer weiblichen Ko-Vorsitzend­en.

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Foto: dpa/Maja Hitij Raed Saleh ist seit sechs Jahren Chef der SPD-Fraktion.

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