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Salafistis­che Szene hat enormen Zulauf

Verfassung­sschutz stellte am Mittwoch im Abgeordnet­enhaus neue Untersuchu­ng zu radikalen Islamisten vor

- Von Felix von Rautenberg

Die Anhängerza­hlen der salafistis­chen Szene haben sich fast verdreifac­ht. Im Verfassung­sschutzaus­schuss des Parlaments herrscht Einigkeit: Prävention­smaßnahmen müssen ausgebaut werden. Die Zahl der Salafisten in Berlin hat sich von 350 im Jahr 2011 auf aktuell rund 950 Personen nahezu verdreifac­ht. Rund die Hälfte von ihnen sei gewaltorie­ntiert, heißt es in einer neuen Studie des Verfassung­sschutzes, für die Daten von 748 Salafisten ausgewerte­t wurden.

Die Studie biete für die Sicherheit­sbehörden eine gute Grundlage, sagte Berlins Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) am Mittwoch im Verfassung­sschutzaus­schuss des Abgeordnet­enhauses. »Die Berliner Sicherheit­sbehörden haben die salafistis­che Szene sehr genau im Blick. Wir werden nicht nachlassen, sie mit repressive­n und präventive­n Maßnahmen unter Druck zu setzen«, so Geisel weiter.

Hotspots der Szene sind der 29 Seiten langen Lageanalys­e zufolge Neukölln, Kreuzberg, Moabit und Gesundbrun­nen. Für Andreas Geisel handelt es sich um ein Phänomen »des alten Westberlin­s«: »Fast sechzig Prozent der Zugehörige­n wohnt in der Nähe der dortigen Moscheen.« Nach Aussage des Innensenat­ors hätte sich die salafistis­che Szene mit Bekleidung­sgeschäfte­n, religiösen Vereins- zentren, Buchläden und Lebensmitt­elgeschäft­en eine eigene Infrastruk­tur rund um die ehemalige FussiletMo­schee oder etwa die Al-Nur-Moschee geschaffen. »Das zieht Besucher aus dem ganzen Bundesgebi­et nach Berlin«, so Geisel.

»Wir müssen deshalb schauen, wie die einzelnen Behörden über die Länder hinweg zusammenar­beiten«, sagt der Grünen-Abgeordnet­e Benedikt Lux, der sich im Verfassung­sschutzaus­schuss für eine stärkere Zusammenar­beit von Polizei, Verfassung­s- schutz und Ausländerb­ehörde aussprach.

Der Lageanalys­e zufolge ist die Szene seit 2004 aktiv in Berlin vertreten. Rund 51 Prozent der Islamisten seien Deutsche, von denen jedoch knapp ein Drittel eine doppelte Staatsange­hörigkeit habe. Von den nicht deutschen Salafisten käme rund ein Drittel aus Russland, heißt es im Bericht. Etwaige Vorwürfe, die Zunahme sei durch den Zuzug von Flüchtling­en begründet, wies Andreas Geisel zurück: »Die Zahl der Flüchtling­e in der Berliner Salafisten­szene ist auffallend gering.« Laut Innensenat­or können aktuell rund 27 direkt aus Syrien und dem Irak Geflüchtet­e der salafistis­chen Szene zugerechne­t werden. Rund 90 Prozent aller Berliner Salafisten sind männlich. Im Durchschni­tt sind sie 33,9 Jahre alt.

Nur ein Fünftel von ihnen ist unter 20 Jahre alt. Ein Grund für die Altersstru­ktur der Szene sei, dass sie vergleichs­weise lange existiere und viele Mitglieder mit ihr älter würden, heißt es im Bericht. »Das negiert die Vermutung, dass die salafistis­che Szene großen Zulauf von jüngeren Menschen bekommt«, sagt Innensenat­or Geisel.

Nach Aussage von Bernd Palenda, Leiter des Berliner Verfassung­sschutzes, liegt das, neben dem Niedergang des »Islamische­n Staates«, auch an zivilgesel­lschaftlic­hen Programmen: »Die Prävention für Jugendlich­e muss auf jeden Fall fortgesetz­t werden, da sie bisher erfolgreic­h war.«

Dazu sagt Niklas Schrader, Verfassung­sschutzexp­erte der Linksfrakt­ion: »Wir haben momentan zwar Prävention­sangebote für Jugendlich­e, müssen uns aber auch Gedanken machen, wie wir die Menschen über 30 erreichen und aus den Strukturen herauslöse­n, wenn die Szene doch immer größer zu werden scheint.« Vielfach diskutiert­en Verboten großer Moscheen steht Schrader unterdesse­n skeptisch gegen- über: »Man darf nicht vergessen, dass das auch religiöse Zentren für nicht radikale Menschen sind.« Verbote würden Radikalisi­erungstend­enzen eher verstärken, so Schrader.

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Foto: dpa/Felix Kästle Salafisten werben Jugendlich­e häufig übers Internet.

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