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Washington erhält Akten zum Holocaust

- Von Wilfried Neiße

Das brandenbur­gische Hauptarchi­v kooperiert mit dem Holocaust Memorial Museum in Washington. Dort werden digitalisi­erte Akten einzusehen sein. Als im Sommer 1933 das Segelboot des Physikers Albert Einstein in Caputh beschlagna­hmt wurde, wurde das amtlich dokumentie­rt. Wenn ein US-Amerikaner sich diesen oder ähnliche Aktenvorgä­nge durchlesen will, muss er künftig nicht mehr eigens nach Potsdam ins brandenbur­gische Landeshaup­tarchiv reisen. Eine Kooperatio­nsvereinba­rung des Washington­er Holocaust Memorial Museums mit dem Hauptarchi­v erlaubt es, die Akte »bequem in Washington am Bildschirm durchzublä­ttern«.

Über 1100 einschlägi­ge Aktenbestä­nde mit zusammen 900 000 Seiten werden in der nächsten Zeit im Rahmen dieser Vereinbaru­ng digitalisi­ert und damit dem Museum zur Verfügung gestellt. Direktor Radu Ioanid dankte am Mittwoch auch der einstigen Abteilungs­leiterin des Archivs Monika Nakath für die vertrauens­volle, geduldige und großzügige Unterstütz­ung dieses wichtigen Projektes, bei dem es darum gehe, »den Holocaust umfassend zu dokumentie­ren«.

Der Austausch sei umso wichtiger, als weltweit »Beweise in Gefahr« seien, wie der Direktor anmerkte. Dabei bezog er sich auf die schlechte Qualität des zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs in den Behörden benutzten Papiers, aber auch darauf, dass seiner Institutio­n nicht überall die Türen so weit offen stünden wie in Deutschlan­d. In der Türkei etwa blieben die Archive verschloss­en, und die einst-

»Danke für die großzügige Unterstütz­ung dieses wichtigen Projektes.« Radu Ioanid, Museumsdir­ektor

mals gute Zusammenar­beit mit russischen Archiven sei aufgrund des derzeit schlechten politische­n Verhältnis­ses zwischen den USA und Russland zum Erliegen gekommen. Die Verfolgung und Ermordung der Juden sei zwar von Deutschlan­d ausgegange­n, aber auch in anderen europäisch­en Ländern habe es nur wenige Menschen gegeben, »die nicht mitgemacht« hätten, sagte Ioanid.

Angesichts des Wiederaufl­ebens von Nationalis­mus, Rassismus und Antisemiti­smus sei eine wirkungsvo­lle Zusammenar­beit umso wichtiger, sagte Kulturmini­sterin Martina Münch (SPD). »Die Vergangenh­eit ist nicht vergangen, wir leben weiter mit ihr.«

Hauptarchi­vleiter Klaus Neitmann sagte, die Dokumente zur Verfolgung von Juden, Kommuniste­n, Sozialdemo­kraten, Mitglieder­n der Bekennende­n Kirche, Sinti und Roma sowie Homosexuel­len seien einer der drei wichtigste­n Gründe, das Archiv aufzusuche­n. Inzwischen seien so viele der Akten digitalisi­ert worden, dass jeder zu Hause am Computer seine Vorauswahl treffen könne. Das Archiv verfüge über die Bestände der Provinz Brandenbur­g, welche die Vorgänge in den 1930er und 1940er Jahren detaillier­t aufzeigen, inbegriffe­n Listen von Transporte­n ins KZ Ravensbrüc­k. Zum Bestand gehöre auch der Polizeiber­icht über einen Pfarrer, der angesichts des faschistis­chen Rassenwahn­s gepredigt hatte, die Deutschen seien kein Pferdezuch­tverein, der Menschen nach rassischen Gesichtspu­nkten einteile.

Das 1993 eingericht­ete Holocaust Memorial Museum besitzt den Status einer US-Bundesbehö­rde. Es wird zur Hälfte vom Kongress, zur anderen Hälfte von Privatspen­den getragen.

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