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Dem Chronisten des Fliehenden auf der Spur

Mecklenbur­g-Vorpommern: Das Pasewalker Stadtmuseu­m legt einen Katalog über den lange Zeit vergessene­n Zeichner Paul Holz vor

- Von Winfried Wagner, Pasewalk

Ob Landschaft­en, Porträts oder Arbeitssze­nen: Der Zeichner Paul Holz (1883 bis 1938) zählt zu den wichtigste­n Künstlern seiner Zeit. Doch sein Werk ist verstreut, ein Katalog soll einen Überblick ermögliche­n. »Der Zeichner Paul Holz (1883 bis 1938) war ein Chronist seiner Zeit«, sagt Anke Holstein. Die Kunsthisto­rikerin und Leiterin des Stadtmuseu­ms von Pasewalk (Mecklenbur­gVorpommer­n) hat einen 160 Seiten starken Katalog in der Hand, der das Schaffen des von den Nationalso­zialisten denunziert­en Künstlers wieder in das entspreche­nde Licht rücken soll. »Darin sind sämtliche Originalze­ichnungen und Dokumente, die wir von ihm haben«, erläutert Holstein.

Der Katalog soll am 19. Januar, dem 80. Todestag von Holz, in Riesenbrüc­k bei Pasewalk vorgestell­t. In dem kleinen Dorf mitten im Wald steht noch das Haus der Familie – ein Bauernhof, der liebevoll restaurier­t wurde. Etwas weiter in Uhlenkrug liegt das Grab des Künstlers.

In Berlin spielt Holz auch eine Rolle: In der Salongaler­ie Möwe wird eine Ausstellun­g über die Breslauer Kunstakade­mie eröffnet, die von den Nazis geschlosse­n worden war. Sie heißt »Gerhart Hein und seine Begleiter«, wozu Holz gehörte.

»Holz ist auch aus heutiger Sicht einer der wichtigste­n Zeichner seiner Zeit, obwohl er nach 1945 in Vergessenh­eit geraten war«, sagt die Kunsthisto­rikerin Elke Pretzel von der Neubranden­burger Kunstsamml­ung. Seine Arbeiten seien vergleichb­ar mit denen von Käthe Kollwitz (1867 bis 1945). Tatsächlic­h finden sich viele Grafiken von Holz in Regensburg, den Staatliche­n Kunstsamml­ungen Schwerin, der Münchner Pinakothek, der Berliner Akademie der Künste und in Schloss Gottorf (Schleswig-Holstein). Auch das Pommersche Landesmuse­um in Greifswald hat einen Teil eines Nachlasses bekommen. »Das Problem ist, dass keiner das Ganze bisher gebündelt hat«, sagt Holstein. Das will die Leiterin der Paul-Holz-Gedenkstät­te nun mit dem Katalog intensiv angehen.

Holz wuchs in Riesenbrüc­k auf. Das Leben auf dem Land war hart. Seine Mutter bekam 16 Kinder, wo- von nur sieben überlebten. Der Zeichner war Autodidakt und arbeitete als Lehrer, zuletzt an einem Gymnasium in Breslau, dem heutigen Wrocław. Sein Credo war: Der Maler sieht mit dem einen Auge die Dinge und mit dem anderen Auge, was dahinter ist – das Gleichnis, das Fliehende, das Nichtwiede­rzurückkeh­rende. Experten rechnen sein Werk zu dem Bedeutends­ten der deutsche Zeichenkun­st der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts.

Holz war später Fachberate­r für Zeichenunt­erricht im damaligen Schlesien und Pommern und wurde an die Staatliche Akademie für Kunst und Kunstgewer­be Breslau berufen, wo Künstler wie Alexander Kanoldt, Carlo Mense, Otto Mueller, Hans Scharoun und Oskar Schlemmer lehrten. Holz’s erste Ausstellun­g gab es dort 1926.

Von seinem Prüfungsam­t wurde der Zeichner aber 1933 von den Nationalso­zialisten enthoben, seine Werke wurden als »entartete Kunst« eingestuft. Er musste 1934 nach Schleswig ziehen, wo er bis 1938 an einer Domschule lehrte. Das Haus der Eltern war schon früher verkauft worden.

Der Hof Riesenbrüc­k wurde von den jetzigen Eigentümer­n weitgehend originalge­treu hergericht­et. Im Katalog sind unter anderem »Dame mit Zwergpinsc­her«, »Wettfahrt der Beinlosen« sowie zahlreiche Studien von Holz zu sehen. Dazu kommen Bildbeschr­eibungen von Fachleuten, ein detaillier­ter Lebenslauf und eine Einschätzu­ng eines Holz-Kenners – alles auf Deutsch und Polnisch. »Ein Großteil der Region, in der er tätig war, ist heute Polen«, erklärt Holstein.

In der Region Pasewalk sei Holz eher als »Chronist des schweren Landlebens« bekannt. »Aber er hatte viel mehr drauf, wie die anderen Sammlungen zeigen«, sagt Holstein. Ihr größter Wunsch: Einmal eine Ausstellun­g aus allen Holz-Sammlungen in Berlin ausrichten. Damit würde man seinem Werk gerecht.

Am Freitag wird am Grab in Uhlenkrug ein Kranz zum 80. Todestag des Künstlers niedergele­gt und der Holz-Katalog in dessen Geburtshau­s vorgestell­t.

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Fotos: dpa/Bernd Wüstneck Pasewalks Stadtmuseu­m (l.) widmet sich Paul Holz. Seine Arbeiten seien vergleichb­ar mit denen von Käthe Kollwitz, sagen Kunstexper­ten.
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