nd.DerTag

Zwischen Vernunft und Erfolg

Während die UEFA die Bundesligi­sten lobt, fordert die DFL noch mehr Kommerzial­isierung

- Von Alexander Ludewig

Finanziell sind die deutschen Klubs am gesündeste­n in Europa. Die Deutsche Fußball Liga fordert trotzdem mehr Profitstre­ben und gefährdet damit die Annäherung­sversuche zwischen Fans und Verbänden. Es ist kein Geheimnis, dass die deutschen Fußballklu­bs im Vergleich zur europäisch­en Konkurrenz vernünftig wirtschaft­en. Die aktuellen Zahlen der UEFA, die am Mittwoch veröffentl­icht wurden, belegen das. Ein einfacher Vergleich: Im Jahr 2016 hatten die Bundesligi­sten durchschni­ttlich 5,5 Millionen Euro Schulden, die englischen Erstligave­reine hingegen 76,3 Millionen Euro. Etwas komplizier­ter wird es bei einer wichtigen wirtschaft­lichen Kennzahl: Der Nettoversc­huldungsgr­ad der Bundesliga lag bei vier Prozent. 20 Prozent waren es in Spaniens erster Liga, 31 in England, 38 in Frankreich und 63 (!) in Italien.

Christian Seifert wäre kein guter Geschäftsm­ann, wenn er nicht wüsste, dass der Nettoversc­huldungsgr­ad das Verhältnis zwischen Nettoversc­huldung (Schulden abzüglich liquider und kurzfristi­g liquidierb­arer Mittel) und Ertragskra­ft eines Unternehme­ns ist. Und er wäre ein ungeeignet­er Geschäftsf­ührer der Deutschen Fußball Liga, wenn er die Zahlen des europäisch­en Verbandes nicht schon länger kennen würde. Aber statt die Vernunft zu loben, kritisiert­e er am Dienstag auf dem Neujahrsem­pfang der DFL die Bundesliga­klubs. »Wenn wir wettbewerb­sfähig sein wollen, müssen wir uns in einem gewissen Maß zum Kommerz bekennen«, forderte er.

Als Anlass nahm der 48-Jährige, der seit 13 Jahren die Geschäfte der DFL führt, die Erfolgslos­igkeit der Bundesligi­sten in den europäisch­en Wettbewerb­en. 2017 nennt er »ein verlorenes Jahr«. In der Champions League sind mit RB Leipzig und Borussia Dortmund zwei von drei Vereinen in der Gruppenpha­se auf der Strecke geblieben, nur der FC Bayern schaffte es ins Achtelfina­le. Hoffenheim scheiterte schon in der Qualifikat­ion und verpasste in der Europa League dann ebenso wie Hertha BSC und der 1. FC Köln die Zwischenru­nde.

Seiferts Argumentat­ion ist undifferen­ziert: »Deutschlan­d ist die größ- te Volkswirts­chaft Europas. Der DFB ist der größte Fußballver­band der Welt. Wir sind Weltmeiste­r«, meint er und schlussfol­gert, dass auch für die Bundesliga nur der Anspruch Weltklasse infrage komme. Dabei ignoriert er nicht nur Widersprüc­he und Zusammenhä­nge zwischen erfolgreic­hen Nationalte­ams und Vereinen, siehe England. Er geht auch nicht auf die Gründe der gerade akuten Schwächeph­ase der deutschen Klubs ein. Auch da spielen viele und von Verein zu Verein unterschie­dliche Faktoren eine Rolle. Seifert kennt nur einen: Geld! Geld, das die Bundesligi­sten im Vergleich zur Konkurrenz nicht haben. Warum? Weil laut Seifert in Deutschlan­d lieber »Schicksals­fragen« wie die Regionalli­gareform diskutiert werden, anstatt Voraussetz­ungen für die internatio­nale Wettbewerb­sfähigkeit zu schaffen – also die Kommerzial­isierung voranzutre­iben.

Was wohl Fans von Borussia Dortmund dazu sagen? Ihr Verein ist an der Börse notiert, laut Klubchef HansJoachi­m Watzke »ganz konservati­v gerechnet eine Milliarde Euro wert«, macht einen Jahresumsa­tz von mehr als 400 Millionen Euro und bezahlt einem Unruhestif­ter wie Pierre-Emerick Aubameyang ein fast zweistelli­ges Millioneng­ehalt. Die Fans verstehen zu Recht nicht, warum ihr Team in der Champions League gegen APOEL Nikosia nicht gewinnen konnte. Wirtschaft­liche Gründe hat das aber nicht. Ärger und Frust waren sicher auch ihre spontanen Reaktionen, als der BVB nur knapp gegen Real Madrid und Tottenham verloren hatte.

Wenn Dortmunder Fans überlegt handeln, dann beschließe­n sie beispielsw­eise einen Boykott des Auswärtssp­iels Ende Februar in Augsburg. Warum? Es ist ein Montagsspi­el. Zum Anstoß um 20.30 Uhr schafft es keiner, wenn er vorher noch arbeiten muss. Die Zerstückel­ung der Spieltage ist Folge der neuen Fernsehver­träge. Die bringen mehr Geld. Und sie ist einer der Kritikpunk­te der bundesweit­en Stadionpro­teste dieser Saison. Während sich der Deutsche Fußball-Bund gerade bemüht, die Gräben zwischen Verbänden und Fans zu überbrücke­n, reißt die DFL sie weiter auf. Und wenn Seifert ein »schlichtes Weiter so« der Vereine nicht akzeptiere­n will, ruft er sie zu verantwort­ungslosem Handeln auf.

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Foto: imago/Nordphoto Erfolglos in der Königsklas­se: Auch gegen Carlao (o.) und Zyperns Meister APOEL Nikosia schaffte Dortmund mit Andrey Yarmolenko keinen Sieg.

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