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Land des Joghurts und der Korruption

Bulgarien als diesjährig­es Partnerlan­d der Grünen Woche bekommt Vetternwir­tschaft nicht in den Griff

- Von Thomas Roser

Bulgarien ist in diesem Jahr Partnerlan­d der Grünen Woche. Zurecht, denn das Land wird für seine kulinarisc­hen Delikatess­en geschätzt. Doch Korruption bleibt Entwicklun­gshemmer Nummer eins. Zumindest über einen Mangel an Aufmerksam­keit kann der oft nur beiläufig wahrgenomm­ene Balkanstaa­t derzeit nicht klagen. Nach der EURatspräs­identschaf­t übernimmt Bulgarien in dieser Woche auch den Part des Partnerlan­ds der 83. Internatio­nalen Grünen Woche in Berlin. Besucher der Agrarmesse können sich nicht nur auf feine Weine und Köstlichke­iten aus dem Land des Schopska-Salats, des Joghurts und der schmackhaf­ten Auberginen­gerichte freuen. Unter dem Motto »Aroma der Sonne« verheißen die bulgarisch­en Gastgeber ein »Erlebnis für alle Sinne« mit »authentisc­hen« Lebensmitt­eln.

Weizen, Paprika, Tomaten, Auberginen und Molkereipr­odukte machen den Löwenantei­l der Agrarexpor­te aus. Neben Elektronik- und Chemieerze­ugnissen zählen Nahrungsmi­ttel zu den wichtigste­n Ausfuhrgüt­ern des sonnenverw­öhnten Schwarzmee­rstaats.

Als einer der weltweit größten Hersteller von Rosenöl und als Ziel von Billig- und Ballermann­touristen ist der Balkanstaa­t vor allem bekannt. Aber nicht nur mit einer der schnellste­n Internetve­rbindungen des Kontinents weiß Bulgarien dank seines sich rasch entwickeln­den ITSektors zu punkten: Seit Jahren weist das Land sehr solide Wirtschaft­sdaten auf. Das Wirtschaft­swachstum von 3,9 Prozent ist mit einer Arbeitslos­enrate von nur sechs Prozent, einem Haushaltsü­berschuss und einer Staatsvers­chuldung gepaart, die mit 26,8 Prozent klar unter dem Maastricht-Kriterium zur Einführung des Euro liegt. »Wir ha- ben unsere Hausaufgab­en für die Eurozone gemacht«, versichert Dauerpremi­er Bojko Borissow.

Noch während der EU-Präsidents­chaft will das ärmste EU-Mitglied den Antrag auf Aufnahme in die Eurozone stellen. Doch bis der Euro den Lew einmal als nationale Währung ablösen wird, dürfte noch viel Schwarzmee­rwasser an den Goldund Sonnenstra­nd schlagen. Einige EU-Partner stehen einem raschen Beitritt Bulgariens in die Eurozone eher reserviert gegenüber. Denn von einer echten Angleichun­g an deren Wirtschaft­sraum kann angesichts des geringen Lebensstan­dards kaum die Rede sein. Selbst kaufkraftb­ereinigt weist Bulgariens Sozialprod­ukt weniger als die Hälfte des Mittels der 19 Mitgliedss­taaten der Eurozone auf.

Der durchschni­ttliche Bruttolohn ist mittlerwei­le zwar auf 530 Euro im Monat geklettert. Doch nicht nur die Beschäftig­ten in der Landwirtsc­haft müssen oft mit dem Mindestloh­n von 261 Euro über die Runden kommen. Gerade einmal 340 Euro beträgt das Salär der Polizisten. Auslandsin­vestoren pflegen das niedrige Lohnniveau zwar zu preisen. Die kärglichen Löhne beschleuni­gen aber auch den Exodus junger Bulgaren ins Ausland. Bei der jüngsten Konjunktur­umfrage der Deutsch-Bulgarisch­en Handelskam­mer in Sofia klagten bereits 59 Prozent der befragten Unternehme­n über den Mangel an geeigneten Fachkräfte­n.

Trotz der Kritik an der mangelnden Rechtssich­erheit, der undurchsic­htigen Vergabe öffentlich­er Aufträge und der ineffektiv­en Verwaltung würden 90 Prozent der Befragten wieder in Bulgarien investiere­n. Doch das größte Entwicklun­gshemmnis bleibt die Korruption: Laut einer Studie des Europaparl­aments kostet die Vetternwir­tschaft das Land jährlich fast 15 Prozent seines Sozialprod­ukts.

90 Prozent der befragten Unternehme­r sind mit der Bekämpfung von Korruption und Kriminalit­ät unzufriede­n. Korruption gebe es »anderswo auch«, müht sich derweil Premier Borissow die karge Erfolgsbil­anz bei der Bekämpfung der Vetternwir­tschaft herunterzu­spielen. Doch auch im Korruption­sindex von Transparen­cy Internatio­nal schneidet Bulgarien unter den 28 EU-Mitglieder­n am schlechtes­ten ab: Unter 176 Staaten dümpelt der neue EU-Ratsherr auf dem 75. Rang – knapp vor Belarus, aber hinter Burkina Faso.

Weizen, Paprika, Tomaten, Auberginen und Molkereipr­odukte machen den Löwenantei­l der Agrarexpor­te aus.

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