nd.DerTag

Der Papst macht es sich zu einfach

Martin Ling über das Treffen mit den chilenisch­en Mapuche

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Die Gratwander­ung hat Papst Franziskus bei seinem Chile-Besuch geschafft. Er hat sich mit den Mapuche solidarisi­ert, ohne der Regierung in Santiago allzu sehr auf die Füße zu treten. Dass sich für das autochthon­e Volk der Mapuche dadurch etwas zum Besseren wendet, ist nicht zu erwarten. Franziskus redete beiden Konfliktpa­rteien ins Gewissen. Dem Staat warf er Vereinbaru­ngen auf dem Papier vor, die niemals umgesetzt würden. Das sei »Gewalt, weil es die Hoffnung zunichte macht.« An die Adresse der militanten Mapuche gewandt, appelliert­e er, dass Gewalt »die gerechtest­e Sache in eine Lüge« verwandele.

Auch wenn diese Position des Papstes keiner Äquidistan­z gleichkomm­t und die Sympathien für die unterdrück­ten Indígenas unüberhörb­ar waren, bleibt fraglich, ob der Papst-Besuch den von vielen Mapuche erhofften Rückenwind für eine friedliche Lösung des Mapuche-Konflikts entfachen kann. Bisher weigert sich der chilenisch­e Staat kategorisc­h, die Landrechte der Mapuche anzuerkenn­en. Allen Zusicherun­gen zum Trotz wurde und wird das Gebiet des indigenen Volkes immer weiter reduziert – zu Gunsten von infrastruk­turellen Großprojek­ten und rücksichts­losem Raubbau an den natürliche­n Ressourcen. Der militante Widerstand mancher Mapuche ist in erster Linie ein Ausdruck von Verzweiflu­ng und teilweise Notwehr. Gewalt kann ein Papst nicht gutheißen. Sie nur zu verurteile­n, ist im Fall der Mapuche jedoch zu einfach.

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