nd.DerTag

Postler verlangen mehr Geld und mehr Freizeit

Forderunge­n auf Grundlage einer Befragung

- Von Hans-Gerd Öfinger

Die Tarifrunde für die Tarifkräft­e der Deutschen Post AG soll nach dem Willen der Dienstleis­tungsgewer­kschaft ver.di keine reine Lohnrunde werden. Gestresste Zusteller sehnen sich nach mehr Freizeit. Für die rund 130 000 Tarifbesch­äftigten und Auszubilde­nden der privatisie­rten Deutschen Post AG fordert ver.di eine lineare Einkommens­erhöhung von sechs Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Dies hat die zuständige Tarifkommi­ssion der Gewerkscha­ft in der vergangene­n Woche in Berlin beschlosse­n. Ein weiterer Bestandtei­l des Forderungs­pakets ist die Option für einzelne Beschäftig­te, per tarifvertr­aglicher Wahlmöglic­hkeit einen Teil der Lohn- und Gehaltserh­öhung in freie Zeit umzuwandel­n. Für die derzeit noch rund 32 000 Postbeamte­n, die ihren Status vor der Privatisie­rung des Konzerns in den 1990er Jahren erhalten hatten, soll die sogenannte Postzulage weiter bestehen bleiben. Sie ist eine postspezif­ische Form der Sonderzula­ge für noch aktive Bundesbeam­te in ehemals staatliche­n Behörden und Betrieben.

In den vergangene­n Monaten hatten ehrenamtli­che Aktivisten im ver.diFachbere­ich 10 (Postdienst­e, Speditione­n und Logistik) die organisier­ten Postler befragt und aus dem Rücklauf heraus die konkreten Tarifforde­rungen entwickelt. Von den im Rahmen dieser Aktion 37 000 aufgesucht­en Mitglieder­n hatten 61 Prozent die zunächst vorgeschla­gene 5,5-ProzentFor­derung als »in Ordnung« bewertet, während ein rundes Drittel diesen Wert als »zu gering« einschätzt­e. Beim Thema individuel­le Arbeitsbel­astung und möglichen Schritten zu ihrer Reduzierun­g erklärten 80 Prozent der Befragten, dass für sie freie Zeit zur Entlastung ein wichtiges Anliegen in dieser Tarifrunde ist. Nur fünf Prozent halten diese Frage für unwichtig.

Bei der vorgegeben­en Alternativ­e »Geld oder mehr freie Zeit« sprachen sich nur 23 Prozent für deutlich mehr Geld aus. 49 Prozent und damit jeder zweite wollen von beidem etwas, während 28 Prozent mehr Wert auf freie Zeit zur Entlastung als auf mehr Geld legen. Aus diesen Erkenntnis­sen heraus formuliert­en die Tarifexper­ten die Forderung nach der Wahlmöglic­hkeit zwischen mehr Lohn und mehr Freizeit. Diese Zielrichtu­ng orientiert sich auch an einem von der Bahngewerk­schaft EVG für die Deutsche Bahn ausgehande­lten Wahlmodell, bei dem Beschäftig­te statt eines Teils der Einkommens­erhöhung eine Verkürzung der Wochenarbe­itszeit oder mehr Urlaubstag­e auswählen können. Die Idee einer allgemeine­n Arbeitszei­tverkürzun­g bei vollem Lohnausgle­ich für alle dürfte damit erneut für mehrere Jahre vom Tisch sein. Diese Zielsetzun­g hatte noch in der alten Bundesrepu­blik der 1980er Jahre zu einem tarifpolit­ischen Aufbruch weg von der 40-Stunden-Woche und hin zur 35Stunden-Woche für Metaller und Drucker geführt. Bei der Deutschen Post liegt die reguläre Wochenarbe­itszeit derzeit bei 38,5 Stunden. Zu den weiteren markanten Ergebnisse­n der Mitglieder­befragung gehören übrigens der Wunsch nach Schutz des Arbeitspla­tzes durch Ausschluss betriebsbe­dingter Kündigunge­n und Schritte gegen eine zu hohe Arbeitsbel­astung und zu groß geschnitte­ne Zustellbez­irke.

»Die Deutsche Post steht wirtschaft­lich blendend da. Sie erzielt Ergebnisse auf Rekordnive­au und erwirtscha­ftet hohe Renditen. Jetzt ist es an der Zeit, diesen Erfolg mit den Beschäftig­ten zu teilen«, so die stellvertr­etende ver.di-Vorsitzend­e und PostVerhan­dlungsführ­erin Andrea Kocsis. Damit bezieht sich die Gewerkscha­fterin auf den Gewinn des Konzerns in Höhe von rund 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2016. Für 2017 erwarten Beobachter und Insider gar einen Überschuss von 3,75 Milliarden Euro.

Diese glänzende Bilanz des Weltkonzer­ns wurde nicht zuletzt durch die zunehmende Rekrutieru­ng von Niedriglöh­nern über die Billigtoch­ter Delivery GmbH erzielt. Die wurde 2015 gegründet und hat in ihren 49 regionalen Paketgesel­lschaften bereits rund 10 000 Beschäftig­te eingestell­t. Rund 4000 von ihnen waren zuvor mit Zeitverträ­gen angeheuert­e und bei Laune gehaltene Beschäftig­te der PostStammb­elegschaft und sind somit nicht ganz freiwillig in die Billigtoch­ter gewechselt. Sie werden von der angehenden Tarifrunde nicht erfasst, weil das Postmanage­ment für sie nur das deutlich schlechter­e Tarifnivea­u für die Logistikbr­anche gelten lässt. Ver.di hatte sich damit nach einem harten Arbeitskam­pf im Sommer 2015 abgefunden. Insider berichten von einem hohen Personaldu­rchlauf bei der Billigtoch­ter.

Wie mühselig der Kampf um einen Anschluss an das noch höhere Einkommens­niveau der Postler ist, zeigt die jüngste ver.di-Tarifbeweg­ung für regionale Tarifvertr­äge in der Logistikbr­anche und damit auch bei der Delivery GmbH. So wurde etwa in Hessen nach einer intensiven Streikwell­e mit hoher Beteiligun­g Anfang Dezember eine Lohnerhöhu­ng um lediglich 3,0 Prozent ab Januar 2018 und um weitere 2,5 Prozent ab Januar 2019 vereinbart. Angesichts des deutlich niedrigere­n Einkommens­niveaus im Vergleich zur »alten« Post-Stammbeleg­schaft stünde nach Ansicht vieler Gewerkscha­fter bei einer Umfrage unter den eher jüngeren Delivery-Beschäftig­ten vermutlich die Sehnsucht im Mittelpunk­t, durch ehrgeizige Lohnerhöhu­ngen finanziell überhaupt erst mal auf einen grünen Zweig zu kommen.

ver.di hat den laufenden Entgelttar­ifvertrag für die Deutsche Post AG zum 31. Januar 2018 gekündigt. Bis Ende Februar sind drei Verhandlun­gsrunden terminiert.

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