nd.DerTag

Scheitern an der B-Note

Sachsen-Anhalts Grüne stellen die Kenia-Koalition in Frage

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Die Grünen in Sachsen-Anhalt beraten am Sonntag über die Zukunft der Kenia-Koalition. Auslöser war eine Anweisung von CDURegieru­ngschef Reiner Haseloff an Umweltmini­sterin Claudia Dalbert von den Grünen im Zusammenha­ng mit einem umstritten­en Winterspor­tgebiet im Harz. Was macht das für Sie zu einem derart ernsten Vorfall?

Die Weisung des Ministerpr­äsidenten war unmittelba­rer Anlass für die Zuspitzung, aber nicht der einzige Grund. Es gab eine ganze Reihe von Vorfällen, die den Zustand der Koalition als schwierig darstellen. Wir Grüne sind in dieses Bündnis gegangen aus zwei Gründen. Es gab einen Vertrag, in dem viele Dinge standen, die wir für die Entwicklun­g des Landes für gut und notwendig halten. Und es gab ein Selbstvers­tändnis der Koalition als »Bollwerk gegen Rechts«. Das scheint aber für einen Teil der CDUFraktio­n nicht mehr zu tragen; bis zu einem Drittel der Abgeordnet­en stimmt immer wieder mit der AfD. Die CDU muss jetzt erklären, ob der Konsens in der Koalition noch gilt.

Zur offenen Krise ist es allerdings nicht gekommen, nachdem beispielsw­eise die CDU der AfD zu der von dieser beantragte­n Enquetekom­mission Linksextre­mismus verhalf, sondern im Streit um ein Skigebiet im Harz, zu dem nicht einmal etwas im Koalitions­vertrag steht. Warum?

Das Thema ist für alle Beteiligte­n in der Koalition symbolhaft sehr aufgeladen. Wir halten den Bau eines Skigebiets samt Seilbahn in dieser Region für nicht nachhaltig und nicht genehmigun­gsfähig, andere sehen es als sehr wichtig an. Klar ist, dass am Ende über die Genehmigun­g nicht die Politik, sondern die Verwaltung entscheide­n wird. Schierke ist aber ein Punkt, an dem Probleme auch im Umgang miteinande­r kristallis­ieren, gewisserma­ßen in der B-Note. Es gibt andere Themen wie Lehrer oder Kinderbetr­euung, bei denen in den zuständige­n Ministerie­n dringend gehandelt werden müsste, wo es aber eben keine Direktive des Ministerpr­äsidenten gibt.

Das heißt, es knirscht vor allem auf der Beziehungs­ebene?

Das ist so und war auch nicht anders zu erwarten; die kulturelle­n Unterschie­de zwischen CDU und Grünen in Sachsen-Anhalt sind sehr groß. Mir ist bewusst, dass es für manche in der CDU eine schmerzlic­he Erfahrung ist, mit einer vermeintli­chen »Minipartei« mit 5,2 Prozent Wählerstim­men auf Augenhöhe reden zu müssen. Im Koalitions­vertrag ist aber die Rede von »gleichbere­chtigten Partnern«. Wenn man sich dazu bekennt, im Land eine demokratis­che Regierung bilden zu wollen, geht das derzeit nur mit den Grünen. Dann kann man aber nicht permanent versuchen, sie aus dem Bündnis zu schubsen und ihre Ministerin zu demontiere­n. Eine Koalition kann auch an der B-Note scheitern. Die ist derzeit grausig, und sie wirkt sich auch auf die A-Note aus, also auf die politische­n Inhalte. Wir sind deshalb jetzt an dem Punkt, wo die CDU erklären muss, wie sie zu dem Bündnis steht.

Am Sonntag reden Sie aber nicht mit der CDU, sondern mit Ihrer Basis. Wie offen ist der Ausgang?

Er ist sehr offen. Es gibt innerhalb der Partei ganz unterschie­dliche Haltungen in der Frage; zudem entwickeln solche Veranstalt­ungen bei uns oft eine ganz eigene Dynamik. Die Grünen sind wirklich zerrissen in der Frage: Trägt das noch? Natürlich sind wir uns der Verantwor- tung bewusst. Wir wissen, was droht, wenn Kenia scheitert.

Die AfD käme vor Lachen nicht mehr in den Schlaf.

Mag sein. Wir wissen nicht, wie sich die CDU dann verhalten würde. Ich will aber ganz klar sagen: Wenn es nicht gelingt, dass einzelne Abgeordnet­e der CDU ihre offene Kooperatio­n mit der AfD einstellen, dann funktionie­rt die Koalition als »Bollwerk gegen Rechts« nicht mehr und verliert ihre Grundlage. Wir wollten verhindern, dass Rechtsextr­eme Einfluss auf eine Landesregi­erung oder eine die Regierung tragende Fraktion bekommen. Genau das aber erleben wir, weil es in der CDU ganz offenkundi­g Führungspr­obleme, ein Machtvakuu­m oder eine andere politische Agenda gibt. Dann soll sie aber bitte auch öffentlich dafür gerade stehen.

Wie könnte die CDU derlei Sorgen noch vor Ihrem Parteitag ausräumen?

Der Ministerpr­äsident hat bereits Bereitscha­ft zum Gespräch signalisie­rt. Ich denke aber, dass es darüber hinaus innerhalb der Koalition eine grundlegen­de Neuverstän­digung braucht. Wir müssen ernsthaft klären, was deren Tragpfeile­r sein können. Die CDU ist da am Zug. Das erwartet unsere Basis, und das erwartet auch der Teil der Bevölkerun­g, der die AfD explizit nicht gewählt hat.

Es ist noch unklar, ob dem Landesdele­giertenrat am Sonntag eine Empfehlung des Vorstands vorliegen wird. Wozu tendieren Sie persönlich?

Für mich hat diese Koalition durchaus einen Wert. Wir können grüne Politik umsetzen; wir können etwas im Land bewirken. Beim Hochwasser­schutz an der Selke etwa gab es jahrelang Blockaden, weil man sich nicht einigen konnte, ob technische oder naturnahe Lösungen besser sind; unsere Ministerin hat dafür gesorgt, dass es dort einen Dialog gibt. Ähnlich verhält es sich in der Frage der Autobahn A 14 in der Altmark. Es wäre schlimm, wenn so etwas abbräche. Es wäre vor allem aber schlimm, wenn der Damm nach rechts bräche. Aber ob das wirklich noch Konsens in der Koalition ist, weiß ich derzeit nicht. Und dazu erwarte ich persönlich eine klare Ansage von der CDU.

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Foto: dpa/Kay Nietfeld Sachsen-Anhalts Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (r) ist der erste Regierungs­chef einer Kenia-Koalition. Aus Sicht der Grünen macht er dabei überhaupt keine gute Figur.
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Foto: Grüne Sachsen-Anhalt

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