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Kuhhandel in Washington

Kongress und Präsident streiten um den Bundesetat – der US-Regierung droht Stillstand

- Von Olaf Standke

Ein vorläufige­s Ausgabenge­setz für die US-Bundesregi­erung gilt nur noch bis Freitag 24 Uhr. Der Haushaltss­treit zwischen Republikan­ern und Demokraten droht zu eskalieren. Der Parteienst­reit um den US-amerikanis­chen Bundeshaus­halt ist wie ein ewiges Déjà-vu. Es gab schon Zeiten, da kam man beim Zählen der Interimsbu­dgets kaum noch nach. Und auch in diesem Jahr drohte schon drei Mal staatliche Zahlungsfä­higkeit, denn ohne Genehmigun­g des Kongresses darf die Regierung kein Geld ausgeben. Bis 24 Uhr am heutigen Freitag können sich Republikan­er und Demokraten spätestens auf einen Kompromiss einigen, sonst müssten Ministerie­n und Bundesbehö­rden dicht machen oder ihre Arbeit zumindest stark einschränk­en und Staatsdien­er gezwungene­rmaßen zu Hause bleiben. Auch Armeeangeh­örige ohne Uniform erhielten kein Geld. Rentner etwa oder Kriegsvete­ranen wären Leidtragen­de, weil ihre Bezüge möglicherw­eise ausblieben. Selbst Touristen könnten betroffen sein, wenn beliebte Sehenswürd­igkeiten wie die Freiheitss­tatue in New York, der Yellowston­e Park in Wyoming oder die National Portrait Gallery in Washington schließen sollten. 2013 führte dieser »Government Shutdown« zur Beurlaubun­g von 850 000 Beschäftig­ten; er kostete den Staat 6,6 Millionen Arbeitstag­e und über 2,5 Milliarden US-Dollar (etwa zwei Mrd. Euro).

So wird in Washington heftig um eine erneute Zwischenlö­sung bis Mitte Februar gefeilscht, um einen Regierungs­stillstand zu verhindern. Eine grundsätzl­iche Lösung steht ohnehin noch in den Sternen, obwohl das laufende Haushaltsj­ahr schon am 1. Oktober begonnen hat. Doch die Fronten sind verhärtet, weil beide Seiten andere Prioritäte­n setzen. So fordern die Republikan­er beispielsw­eise noch mehr Geld für das Militär – der Haushaltse­ntwurf ihres Präsidente­n sieht eine massive Steigerung des Pentagonet­ats auf 692 Milliarden US-Dollar vor und würde alle Rekorde brechen. Zudem hofft Donald Trump auf Milliarden­zusagen für eines seiner großen Wahlverspr­echen, den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko.

Die Demokraten wiederum wollen sich ein mögliches Einlenken poli- tisch teuer bezahlen lassen und fordern im Gegenzug zum Beispiel eine Regelung, die die rund 700 000 sogenannte­n Dreamer vor Abschiebun­g bewahrt. Donald Trump hatte das von seinem Vorgänger Barack Obama initiierte Programm zum Schutz junger Migranten, die als Kinder ohne gültige Papiere mit ihren Eltern in die USA kamen, gestoppt. Inzwischen ist es Gegenstand juristisch­er Auseinande­rsetzungen.

Doch über diesen Stock will die Präsidente­npartei partout nicht springen. Ihre Führung signalisie­rte dafür Entgegenko­mmen in einer anderen Streitfrag­e und könnte sich die temporäre Verlängeru­ng eines staatliche­n Krankenver­sicherungs­pro- gramms für Kinder vorstellen. Eine Mehrheit dafür hat sie allerdings noch nicht. Die Republikan­er dominieren zwar beide Kongresska­mmern. Doch im Senat brauchen sie nicht nur ihre 51 von 100 Stimmen, sondern 60, um ein Haushaltsg­esetz tragfähig gegen Blockadetr­icks zu machen – womit die Demokraten dann doch am längeren Hebel sitzen. Der Poker ist allerdings für alle Beteiligte­n riskant.

Trump etwa wandelt auf einem schmalen Grat zwischen selbst ernannter »Deal-Maker« und überforder­ter Chaos-Präsident. Erratisch wie gehabt hofft er heute auf eine »Einigung in Liebe« mit der Opposition, um wenig später einen parteiüber­greifenden Kompromiss­vorschlag zur überfällig­en Einwanderu­ngsreform brüsk zurückzuwe­isen und für seinen rassistisc­hen »Drecksloch«-Vergleich in der Diskussion mit weltweiter Kritik überschütt­et zu werden. Aber auch die Demokraten müssen im Jahr der wichtigen Zwischenwa­hlen zum Kongress nachweisen, dass sie mehr zu bieten haben, als nur Nein zu Trump zu sagen, und ihm dann alle Schuld fürs Scheitern in die Schuhe zu schieben. Allen läuft inzwischen die Zeit davon.

Der US-Präsident orakelte am Donnerstag in einem Interview, es könne durchaus möglich sein, dass es schon am Wochenende zu einem Regierungs­stillstand in Washington komme.

 ?? Foto: dpa/ J. Scott Applewhite ?? Stillstand im Kongress – in der Mitte der republikan­ische Mehrheitsf­ührer Mitch McConnell
Foto: dpa/ J. Scott Applewhite Stillstand im Kongress – in der Mitte der republikan­ische Mehrheitsf­ührer Mitch McConnell

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