Brückenbau in Bosnien
Am Freitag endet der Besuch von Kroatiens Präsidentin Grabar-Kitarovic im Nachbarland
Sollten die Bosniaken bei der Wahl im Oktober »entmachtet« werden, könnte das Konsequenzen für den gesamten Westbalkan haben. Frauen seien die besseren Diplomaten, heißt es. Allerdings nur dann, wenn Timing und Rahmenbedingungen stimmen. Die Sterne aber standen nicht günstig für den dreitägigen Bosnien-Besuch von Kroatiens Präsidentin, der diesen Freitag zu Ende geht. Kolinda Grabar-Kitarović kehrt faktisch mit leeren Händen zurück.
Eigentlich sollte die Visite schon Ende 2017 stattfinden. Sie, so die Kroatin, wolle verhindern, dass sich die bilateralen Beziehungen weiter verschlechtern. Akuter Handlungsbedarf bestand in der Tat. Ein vor mehr als 20 Jahren abgeschlossener Grenzvertrag wurde bisher von keiner der Seiten ratifiziert. Gefährdet ist daher auch der von der EU geförderte Bau einer Brücke, die Süddalmatien – die Ferienregion um Dubrovnik – dauerhaft mit Kroatien verbinden soll. Dazwischen liegt ein 19 Kilometer breiter bosnischer Korridor. Vor allem aber hatte das Haager Tribunal zu Ex-Jugoslawien gerade hohe Freiheitsstrafen gegen die Führer der bosnischen Kroaten wegen schwerer Verbrechen im Bürgerkrieg Anfang der 1990er Jahre verhängt. Unmittelbar vor der Urteilsverkündung hatten die katholischen Kroaten in der rappelvollen Kathedrale in Mostar statt für die Opfer – muslimische Bosniaken – für Milde gegenüber den Tätern gebetet. »Patrioten« erklärten sie hernach zu Nationalhelden, der Sabor – das kroatische Parlament – rügte das Urteil als »politisch motiviert«.
Dazu kommt, dass die in Zagreb regierende nationalkonservative Kroa- tische Demokratische Union (HDZ) sich als Sachwalter der Interessen der bosnischen Kroaten versteht. Sie stellen nur 17 Prozent der Gesamtbevölkerung, sehen sich durch das Verhältniswahlrecht benachteiligt und fordern Änderungen. Vertreter der Kroaten im Oberhaus und im Staatspräsidium sollen nur in jenen Regionen gewählt werden dürfen, in denen ethnische Kroaten die Bevölkerungsmehrheit haben. Das Staatspräsidium ist das dreiköpfige, kollektive Führungsorgan, zuständig für strategische Entscheidungen, in dem Bosnia- ken, Serben und Kroaten abwechselnd den Vorsitz haben.
Dort, wo Kroaten die Minderheit, Bosniaken oder Serben aber die Mehrheit stellen, werden durch das Verhältniswahlrecht Bosniaken oder Serben gewählt, da jede Volksgruppe noch immer nur für die eigenen Leute stimmt. Aus diesen Regionen hat es bisher kaum ein Kroate in gesamtstaatliche Institutionen geschafft. Darum sitzen dort ausschließlich Kroaten aus der Westherzegowina, wo sie über die Bevölkerungsmehrheit verfügen. Diese haben den Änderungsvorschlag gemacht und werden von Zagreb unterstützt. Die Kroaten aus dem ethnisch gemischten Mittelbosnien sind dagegen, sie fürchten, zu »Kroaten zweiter Klasse« degradiert zu werden.
Zufall oder nicht: Das Unterhaus befasste sich mit der Novelle just Mittwoch, als die kroatische Präsidentin einschwebte. Sie hatte zuvor schon in Ankara versucht, Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan für das Projekt zu begeistern. Dessen AKP hat großen Einfluss auf die in Sarajevo regierende Partei der Demokratischen Aktion (SDA). Sie inszeniert sich als gesamt- bosnisch, vertritt aber die Interessen der muslimischen Bosniaken, die knapp die Hälfte der Bevölkerung stellen. Erdoğan ließ Grabar-Kitarović abblitzen: Wahlgesetzänderungen seien eine innere Angelegenheit Bosniens. Ähnliches hörte auch Kroatiens Regierungschef Andrej Plenković, als er das Vorhaben in Brüssel bewarb.
Die Eliten der Bosniaken sprachen von Einmischung in innere Angelegenheiten. Das vertiefte den Dissens zwischen den Vormännern der Bosniaken und Kroaten im Staatspräsidium: Bakir Izetbegović und Dragan Čović. Zumal diesem der einstige gemeinsame Kriegsgegner jetzt den Rücken stärkt: Milorad Dodik, der Präsident der bosnischen Serbenrepublik. Bei den Bosnien-Wahlen im Oktober halten Kenner der Materie sogar ein Bündnis von Serben und Kroaten zwecks Entmachtung der Bosniaken für möglich. Es wäre der Anfang vom Ende eines bosnischen Gesamtstaates. Fernziel von Serben wie Kroaten ist der Anschluss an ihre Mutterländer. Rumpf-Bosnien, warnen Experten, würde dann de facto Protektorat der Türkei sein. Mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen für die europäische Integration des gesamten Westbalkans.
Diese falle nicht vom Himmel, sondern müsse von den Beitrittskandidaten hart erarbeitet werden, warnte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der die Region Ende Februar besuchen will. Zwar bot GrabarKitarović den Gastgebern erneut die Hilfe Kroatiens beim Beitrittsprozess an. Leitartikler sehen das indes vor allem als Punktesammeln für die eigene Wiederwahl. Die bosnischen Kroaten haben die doppelte Staatsbürgerschaft, sind Stammwähler der HDZ und entschieden schon des Öfteren den Ausgang von Wahlen in Zagreb.