nd.DerTag

Vio.me kämpft um den Weiterbetr­ieb

Kooperativ­e widersetzt sich der Zwangsvers­teigerung

- Von Elisabeth Heinze

»Unsere Vision ist eine Welt, in der Gleichheit, Solidaritä­t und Uneigennüt­zigkeit herrscht«, sagt Evangelos. Er sitzt zwischen den Maschinen – eine Szene der ArteDokume­ntation »Klassenkam­pf mit Bioseife: eine griechisch­e Fabrik in Arbeiterha­nd«. Der 29-Jährige schloss sich nach dem Chemiestud­ium der Kooperativ­e Vio.me an. Er ist einer von etwa 30 Mitglieder­n, die seit 2011 einen Fabrikteil des ehemaligen Fliesenher­stellers Philkeram im nordgriech­ischen Thessaloni­ki besetzen. Und die seitdem kämpfen, denn die Eigentumsf­rage ist ungeklärt. Vergangene­n Sommer war es den Arbeitern mehrmals gelungen, dem Insolvenzv­erwalter den Zutritt zum Gelände zu verweigern. Im Oktober übergab Vio.me in Athen eine Petition. Aber die Kooperativ­e ist weiter akut von der Zwangsvers­teigerung bedroht.

Selbstverw­altet, solidarisc­h und ohne Vorgesetzt­e, das war der Startschus­s der Herstellun­g und Distributi­on von Bioseife und Ökowaschmi­tteln. Seit Sommer 2017 findet sich der Fugenklebe­r im Sortiment, der vor der Krise das Hauptprodu­kt war. Philkeram hatte Konkurs anmelden müssen, die Unternehme­rfamilie Fillipou konnte am Ende weder Löhne noch Steuern und Sozialabga­ben zahlen. Seit der Pleite entstand ein Projekt, in dem sich die Mitglieder die Bedingunge­n der Produktion selbst aneignen. Auch der Absatz, besonders der Bioseife (auch im nd-Shop erhältlich) auf Märkten ohne Zwischenhä­ndler und im europaweit­en Solidarnet­zwerk funktionie­rt ausgezeich­net. Recht gibt ihnen zwar der Erfolg, dennoch steht die Firma auf wackeligen Beinen. Durch eine Blockade von 150 Sympathisa­nten konnte am 11. Januar die erste Versteiger­ung des Geländes in Thessaloni­ki aufgeschob­en werden. Weitere Aktionen finden bei den nächsten Versteiger­ungstermin­en (Donnerstag­e im Januar und am ersten März) statt. Wegen der Unterstütz­ung geht der Seifenhers­teller davon aus, dass auch dort Blockaden wirkungsvo­ll seien werden.

Die zugesagt Hilfe des Staates lässt weiter auf sich warten. Die Regierungs­partei SYRIZA hatte Vio.me nach ihrem Amtsantrit­t Unterstütz­ung zugesagt, doch die gab es bisher noch nicht. Immerhin, meint Spiros Sgouras, Mitglied der Kooperativ­e, lasse SYRIZA Vio.me gewähren. Das Kollektiv nahm an den landesweit­en Generalstr­eiks im Dezember und am vergangene­n Freitag und Montag teil. Ein Gesetzespa­ket, durch das das Streikrech­t eingeschrä­nkt wird und Versteiger­ungen erleichter­t werden, wurde als Teil der Forderunge­n der Gläubiger in Athen am Montag beschlosse­n. Durch die Reformen sind Initiative­n wie Vio.me gefährdet: »Die Versteiger­ungen und Privatisie­rungen funktionie­render Produktion­sstätten schneiden die griechisch­e Bevölkerun­g von der Produktion­sinfrastru­ktur ab. Der Ausverkauf ist nur im Interesse internatio­naler Spekulante­n«, meint Sgouras.

Momentan soll das Vermögen für versteiger­t werden. Die ehemalige Vio.me beanspruch­te 20 Prozent des Landes zur Miete. Eine neue Auktion werde mit einem niedrigere­n Gebot beginnen. »Irgendwann wird jemand bereit sein, fast nichts für das Land zu bezahlen und die Fabrik zu zerstören«, fürchtet Sgouras. Das Projekt sichert nicht nur Arbeitsplä­tze, die dringend gebraucht werden, sondern erhält die Anlage durch die Nutzung der Maschinen, die sonst verschrott­et werden, argumentie­rt ein Arbeiter in der Arte-Doku. Vio.me stelle sich weiter gegen den Ausverkauf, betont auch Sgouras: »Wir kämpfen, damit zumindest der Teil der Fabrik von Vio.me als Produktion­sstätte und Ort bezahlter Arbeit erhalten bleibt.«

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