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Aus für den Flughafenn­eubau

Frankreich kippt Großprojek­t in Nantes / Regierung scheut gewaltsame Konfrontat­ion mit den Aktivisten

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Jahrelang hatten Aktivisten erfolgreic­h den Neubau des Flughafens in Nantes verhindert. Nun gibt die französisc­he Regierung auf, der alte Flughafen soll stattdesse­n ausgebaut werden. Das Projekt für den Neubau eines großen Flughafens für den Westen Frankreich­s in Notre-Dame-des-Landes bei Nantes ist von der französisc­hen Regierung aufgegeben worden. »Die Bedingunge­n sind nicht gegeben, um das Projekt friedlich zum Erfolg zu führen«, erklärte Premier Edouard Philippe nach der Ministerra­tssitzung vom Mittwoch, auf der die Entscheidu­ng gefallen ist. Das Für und Wider in Sachen Flughafenb­au reichte bis in die Regierung hinein, in der Umweltmini­ster Nicolas Hulot die Argumente der Gegner vertrat und der aus der Bretagne stammende Außenminis­ter JeanYves Le Drian die der Befürworte­r; während Innenminis­ter Gérard Collomb vor allem der Herausford­erung des Staates durch die jahrelange Blockade des Geländes durch gewalt- bereite Flughafeng­egner ein Ende machen wollte.

Statt eines Neubaus, der 940 Millionen Euro gekostet hätte, wird der jetzige Flughafen von Nantes nun mit einem Investitio­nsaufwand von 465 bis 595 Millionen Euro modernisie­rt und die Start- und Landebahn um 500 Meter verlängert. Mit dem Baukonzern Vinci, der den Zuschlag für den Bau und den künftigen Betrieb des Flughafens Notre-Dame-desLandes erhalten hatte, muss aber noch um die Höhe der Abfindung verhandelt werden, die bis zu 350 Millionen Euro betragen kann. Die in Vorbereitu­ng des Flughafenb­aus enteignete­n 1600 Hektar Ackerfläch­e werden den Bauern rückübertr­agen und sollen wieder landwirtsc­haftlich genutzt werden, betonte der Premiermin­ister.

Damit wird auch die Empfehlung eines von der Regierung eingesetzt­en Expertengr­emiums verworfen, die vorsah, das acht Kilometer lange und drei Kilometer breite Gelände für einen eventuelle­n Flughafenb­au in der ferneren Zukunft zurückzuha­lten. Die Entscheidu­ng der Regierung wurde von den Flughafeng­egnern, die für Demonstrat­ionen bis zu 40 000 Menschen aus ganz Frankreich und auch auch aus dem Ausland mobilisier­en konnten, als »Sieg der Vernunft« bezeichnet und mit einem Freudenfes­t gefeiert. Die Akti- visten hatten auf dem Gelände befestigte Hinderniss­e und ein Hüttendorf errichtet, in dem etwa 150 von ihnen ständig leben.

Die Pläne für einen Großflugha­fen in Notre-Dame-des-Landes reichen bis in die 1960er Jahre zurück, wurden aber in dem Maße immer stärker kritisiert und bekämpft, wie die Umweltbewe­gung in Frankreich an Anhängern und Einfluss gewann. Doch im Laufe der Jahre wurden insgesamt 179 Klagen gegen das Projekt von der Justiz abgewiesen und 2016 sprachen sich bei einem Referendum im Departemen­t 55 Prozent der Bürger für den Flughafenb­au aus. Die Entscheidu­ng der Regierung wird jetzt von den vor Ort stark verankerte­n Sozialiste­n, aber auch von rechten Opposition­spolitiker­n wie dem in der Region gewählten Senator Bruno Retailleau scharf kritisiert. Der verweist darauf, dass »Emmanuel Macron im Präsidents­chaftswahl­kampf eine Durchsetzu­ng des Bauprojekt­s versproche­n hat« und dass sein jetziges Einknicken vor gewaltbere­iten Flughafeng­egnern seine »erste große innenpolit­ische Niederlage« darstelle. Die sozialisti­sche Bürgermeis­terin von Nantes, Johanna Rollande, bezeichnet das Einknicken als »Verrat« und erklärt: »Die Regierung tritt die Entscheidu­ng der Mehrheit der Bürger und der Justiz mit Füßen«.

Den Bewohnern des Hüttendorf­s lässt Premier Philippe, der eine gewaltsame Räumung und das damit verbundene negative Medienecho vermeiden will, bis Ende März Zeit, freiwillig abzuziehen. Danach werde unter Polizeiein­satz geräumt.

Die in Vorbereitu­ng des Flughafenb­aus enteignete­n 1600 Hektar Ackerfläch­e werden den Bauern rückübertr­agen.

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