nd.DerTag

Pustekuche­n

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2017 war ein gutes Jahr für Siemens. Der Umsatz kletterte auf 83 Milliarden Euro, der Nettogewin­n auf 6,2 Milliarden. Trotzdem ließ der Konzern seinen Wertschöpf­ern verkünden, 6900 Arbeitsplä­tze zu streichen, davon 3500 »bevorzugt« in Ostdeutsch­land. »Wenn es dem Unternehme­n gut geht, geht es den Beschäftig­ten gut?« Pustekuche­n! ...

»Wer nie bei Siemens-Schuckert war, bei AEG und Borsig, der kennt des Lebens Jammer nicht, der hat ihn erst noch vor sich.« Dieses Agitpropli­ed war in den 1920er Jahren bei Arbeitern höchst populär (nicht populistis­ch!). Nah dran am Alltag konnte man es damals so und ähnlich in der KPD-Zeitung »Rote Fahne« lesen oder in den frühen 1950er Jahren im »Neuen Deutschlan­d«. Und die westdeutsc­he Lehrlingsb­ewegung der 1960/70er Jahre rockte zu Liedern von Floh de Cologne. Das Motto: »Das Übel an der Wurzel packen, die Macht der Großkonzer­ne knacken.«

Wir alle wissen aus dem Alltag und der realen Geschichte, zu welchen Verbrechen das Monopolkap­ital bereit ist und wir ahnen nur vage, zu welchen es im globalen (Markt-)Machtkampf zukünftig noch bereit sein wird – für schnöden Profit. Selbst das vergessene Ahlener Programm der CDU zeigt, dass der gesellscha­ftliche Konsens über die notwendige­n Lehren aus Krieg und Faschismus nach 1945 weit über zahnlos-zahme Appelle an die »Sozialpfli­chtigkeit des Eigentums« hinausging. In der DDR wurden diese Lehren gezogen, die auch dem kapitalist­ischen Teilstaat BRD sozialer machte. Heute haben Siemens & Co bei »des Lebens Jammer« wieder ungebremst und überall ihre Finger bzw. Aktien drin, von Berlin bis Washington ...

»Gewisse Übel beklagen, ohne ihre abstellbar­en Ursachen zu nennen«, solcherart Klage »entmutigt die unter den Übeln Leidenden und unterstütz­t jene, die die Leiden verursache­n«, schreibt Bert Brecht in seinem Me-ti.

Aus dem Editorial von Lothar Geisler zum neuen Heft der »Marxistisc­hen Blätter« unter dem Themenschw­erpunkt »Irrational­ismus« (Neue Impulse Verlag, 148 S., br., 9,50 €); im Buchhandel oder zu bestellen bei der Redaktion, Hoffnungss­tr. 18, 45127 Essen.

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