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Hänsel, Quark und Fudschijam­a

Zum Tod des Schauspiel­ers und Regisseurs Peter Groeger

- Von Matthias Thalheim

Er war der »Hänsel« auf der Grimms-Märchen-Single, spielte ob seiner geringen Körpergröß­e und seiner tenoralen Stimmlage noch in Mannesjahr­en unzählige Jugendroll­en verwöhnte Bürgersöhn­chen, dekadente Halbstarke, später Schurken in »Blaulicht« und »Polizeiruf« und gewann im Großvatera­lter mit seinem markanten Timbre Kultstatus als Synchronpa­rt des »Quark« in der Star-Trek-Serie »Deep Space Nine«.

Peter Groeger war eine außergewöh­nlich quirlige Spielernat­ur mit Sinn für alle dramatisch­en Nuancen. Geboren wurde er am 1. Juni 1933 in Gröbzig, wo seine Mutter am Markt ein Textilware­ngeschäft betrieb; die Schulbank drückte er in Köthen und Schulpfort­a und Köthen, danach zog es ihn auf die Bühne. Er gehörte zu den ersten Absolvente­n der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete­n Staatliche­n Schauspiel­schule in Berlin-Oberschöne­weide, kam danach ans Theater der Freundscha­ft und ans Deutsche Theater in Berlin, wo ihm große Förderung durch Wolfgang Langhoff zuteil wurde. Drei Jahre studierte Groeger am Moskauer Theaterins­titut GITIS. Mit zahllosen Darsteller-Aufgaben in den Synchron-, Schallplat­ten- und Rundfunkst­udios der DDR verbunden, entwickelt­e Peter Groeger auch Inszenieru­ngskompete­nz und hatte das Glück, Ende der sechziger Jahre als junger HörspielRe­gisseur in die Gründung eines neuen eigenen Bereichs »Internatio­nale Funkdramat­ik« zu geraten.

Hier bekam er, ohne je Mitglied der SED gewesen zu sein, nicht nur die Gelegenhei­t, dramatisch­e Texte der sozialisti­schen Länder zu inszeniere­n – Ostrikow, Jesenin, Schatrow oder Aitmatow – sondern auch die großer westeuropä­ischer Autoren wie Ingeborg Bachmann, Heinrich Böll, Franz Xaver Kroetz, Ise Aichinger oder Günter Eich.

Groegers Produktion von Aitmatows »Der Aufstieg auf den Fudschijam­a« von 1976 kam allerdings durch Interventi­on von Moskaus AufpasserB­otschafter in Ost-Berlin, Pjotr Ab- rassimow, nicht zur Erstsendun­g und wurde erst 13 Jahre nach der Wende ausgestrah­lt. Die Reihe der von Groeger sensibel inszeniert­en Hörspiele von Albert Wendt bekam 1984 einen beträchtli­chen Dämpfer verpasst, als Mitglieder des Staatliche­n Komitees für Rundfunk und ihr Vorsitzend­er Achim Becker dezidierte Einwände vorbrachte­n; fortan durfte nur noch eine stark gekürzte Version des Hörspiels »Heduda auf dem Pflaumenba­um« gesendet werden.

Wiewohl Peter Groeger auch nach 1990 Hörfunk-Erfolge beschieden waren – seine Produktion von Victor Klemperers »Zeugnis ablegen« mit Udo Samel zum Beispiel –, blieb eine tatsächlic­he Wertschätz­ung bei den Landesrund­funkanstal­ten in den alten Bundesländ­ern aus, und es war ein Glück, dass er sich auf seine darsteller­ische Einzigarti­gkeit im Fernsehen und vor allem im Synchronge­schäft stützen konnte.

Bald erkannten auch Gestalter von Computersp­ielen Groegers stimmliche Exzellenz. Kommerziel­le Hörspielpr­oduzenten holten ihn für spezielle Remakes wie das einer Sherlock-Holmes-Reihe, in dem er neben Christian Rhode als Holmes den Dr. Watson in vielen Folgen figurierte. Seit zehn Jahren gehörte Peter Groeger zum Darsteller-Ensemble des Kriminalth­eaters Berlin, war einer der großen Stars dieses Hauses. Hier konnte man ihn live in den Hauptrolle­n von Krimi-Klassikern erleben, in Peter Hacks Komödie »Inspektor Campells letzter Fall«, in Umberto Ecos »Der Name der Rose« oder in »Arsen und Spitzhäubc­hen«, jenem Stück, in dem er am 20. Dezember 2017 mit 84 Jahren zum allerletzt­en Mal auf der Bühne stand.

Am 16. Januar 2018 verstarb Peter Groeger in Berlin-Buch im Krankenhau­s. Sein größter Stolz blieb die in seiner Regie 1972 im DEFA-Synchronst­udio erstandene Synchronfa­ssung von Bob Fosses »Cabaret« mit Angelika Wallers Stimme für die Sally Bowles der Liza Minelli. Groegers Fassung wird als die atmosphäri­sch dichtere deutsche Version in die Kinogeschi­chte eingehen – eine Tonspur geprägt von der Intensität eines besessenen Regisseurs.

Ein besessener Regisseur, quirlige Spielernat­ur und außergewöh­nlicher Synchronsp­recher.

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Foto: imago/DRAMA-Berlin Peter Groeger 2011 am Berliner Kriminalth­eater

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