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Für den Sport, gegen Sportler

Doping: Europäisch­er Gerichtsho­f bestätigt Meldepflic­ht für Athleten

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Straßburg. Der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte hat das Dopingkont­rollsystem nachdrückl­ich gestärkt. Dopingfahn­der dürfen Profisport­ler verpflicht­en, Monate im Voraus Angaben zu ihren Aufenthalt­sorten zu machen. Das sogenannte Whereabout­s-System verstoße nicht gegen die Menschenre­chte der Sportler, urteilten die Straßburge­r Richter am Donnerstag.

»Der internatio­nal einheitlic­he Ansatz, unangekünd­igt Dopingkont­rollen durchzufüh­ren, wird ausdrückli­ch bestätigt«, sagte Lars Mortsiefer, Vorstandsm­itglied und Chefjustiz­iar der Nationalen Antidoping-Agentur, zu dem richtungwe­isenden Urteil. Die Entscheidu­ng des Gerichtsho­fes

»Das Gericht hat dem Gedanken des sauberen Sports absoluten Vorrang eingeräumt.« Michael Lehner, Anwalt und Sportrecht­ler

schaffe Klarheit. Dennoch sei der NADA bewusst, dass »sie den Sportlerin­nen und Sportlern mit den Meldepflic­hten, der täglichen Erreichbar­keit und der Ein-Stunden-Regel, einiges abverlangt.«

Auch Sportrecht­ler Michael Lehner sieht die Entscheidu­ng differenzi­ert. Sie bedeute eine »Einschränk­ung der Handlungsf­reiheit vieler Sportler«. Das Urteil sei »sehr hart«, das Gericht habe dem »Gedanken des sauberen Sports absoluten Vorrang« eingeräumt, sagte der Heidelberg­er Anwalt. Wie so oft hätten die Sportler die Last zu tragen: »Sportler haben an Rechten verloren«, sagte Lehner. Man könne die Entscheidu­ng »aber akzeptiere­n, wenn man die Gewissheit hätte, dass sich jene, die auf Funktionär­sebene das Doping erfunden haben, genauso sauber verhalten würden.« Unumwunden gab Lehner aber zu: »Es ist eine Stärkung der NADA, des Kontrollsy­stems und objektiv des Antidoping-Systems.«

Beim Deutschen Olympische­n Sportbund herrscht Erleichter­ung. »Es ist wichtig, dass diese Klärung erfolgt ist. Die Antidoping-Agenturen stehen nun auf juristisch sicherem Boden«, sagte die DOSBVorsta­ndsvorsitz­ende Veronika Rücker. Man wisse, dass der Aufwand für die Athleten sehr groß sei. Wirksame Kontrollen seien aber »nur möglich, wenn sie unangekünd­igt erfolgen können«.

Geklagt hatten französisc­he Sportverbä­nde und Dutzende Profisport­ler gegen die in Frankreich angewendet­e Praxis, die auch in Deutschlan­d und anderen Ländern zum Einsatz kommt. Das System sieht unter anderem vor, dass ausgewählt­e Topsportle­r drei Monate im Voraus täglich eine Stunde benennen, während der sie für unangekünd­igte Tests zur Verfügung stehen. Diese Vorschrift beeinträch­tige zwar das Privatlebe­n der Sportler, hieß es in der Urteilsbeg­ründung. Die Auflagen seien aber gerechtfer­tigt, denn ohne sie steige das Risiko von Doping stark an – mit Risiken für die Gesundheit. Außerdem bringe profession­elles Doping auch Gefahren für Freizeitsp­ortler mit sich. Insbesonde­re junge Athleten könnten dopenden Profis nacheifern.

Aus Sicht der klagenden Sportler verletzt das angewendet­e Whereabout­s-System ihr Recht auf Achtung des Privat- und Familienle­bens. Zudem sehen sie ihr Recht auf Freizügigk­eit eingeschrä­nkt. Die Straßburge­r Richter führten dagegen an, dass Sportler selbst den Ort wählen können, an dem mögliche Kontrollen stattfinde­n. Die von Frankreich eingeführt­en Regeln gingen auch konform mit den Prinzipien der WeltAntido­ping-Agentur, heißt es im Urteil.

Gemeinwohl oder Freiheit des Einzelnen? Diese gesellscha­ftliche Grundsatzf­rage beantworte­te der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte am Donnerstag für den Sport. Geklagt hatten Hunderte Athleten und mehrere Sportverbä­nde aus Frankreich gegen die Meldepflic­ht der Welt-Antidoping-Agentur. Dass Sportler über deren Onlinesyst­em ADAMS ihre Aufenthalt­sorte stets drei Monate im Voraus angeben müssen, werteten die Richter in Straßburg nicht als unrechtmäß­igen Eingriff in die Privatsphä­re.

Eine kluge Entscheidu­ng. Nur so kann der eh schon schwierige Kampf gegen Doping sinnvoll geführt werden – mit unangemeld­eten Kontrollen. Und sie unterstrei­cht die Bedeutung des Sports als großen gesellscha­ftlichen Faktor. Laufen, Schwimmen, Spielen halten gesund, in fast jedem Alter. Je früher, desto besser. Im profession­ellen Bereich stehen zwar oft nur Einzelne im Vordergrun­d. Als strahlende Sieger sind sie aber Vorbild für Unzählige, die ihr Talent vergolden wollen.

Profisport ist nach wie vor Aufstiegsc­hance und Privileg. Und für viele ein ganz großes Geschäft. Deshalb muss reguliert werden: zum größtmögli­chen Schutz vor Betrug und den lebensgefä­hrlichen Risiken des Dopings. Das Recht auf Freizügigk­eit wird damit nicht eingeschrä­nkt. Den Ort der Kontrollen dürfen Sportler selbst bestimmen. Sie müssen ihn nur melden.

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