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Deutsche Panzer gegen Kurden

Der türkische Präsident Erdogan will im syrischen Afrin »nicht zurückweic­hen«

- Von René Heilig

Berlin. Die türkischen Streitkräf­te setzen bei ihrer Offensive gegen die Kurden-Miliz YPG in der nordwestsy­rischen Region Afrin offensicht­lich auch deutsche Panzer ein. Ein Bundeswehr-Experte bestätigte am Montag in Berlin, dass Bilder von der Militärope­ration Panzer vom Typ »Leopard 2 A4« zeigten. Sahra Wagenknech­t, LINKE-Fraktionsc­hefin im Bundestag, forderte von der Bundesregi­erung eine unmissvers­tändliche Verurteilu­ng dieses völkerrech­tswidrigen Angriffskr­ieges, den Stopp von Waffenlief­erungen an Ankara und den Abzug aller Bundeswehr­soldaten, die noch in der Türkei stationier­t sind.

Die Türkei werde sich laut Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht durch internatio­nalen Druck von ihrer Offensive gegen die Kurdenmili­z abbringen lassen. »Afrin wird abgeschlos­sen. Es gibt keinen Schritt zurück aus Afrin«, sagte er am Montag in Ankara. Das habe man gegenüber Russland und den USA sowie anderen Koalitions­partnern deutlich gemacht. Die USA hatten vor Beginn der Operation am Wochenende an die Türkei appelliert, davon abzusehen. Die YPG ist der Verbündete der US-geführten Koalition gegen die Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) und wurde von Washington mit Waffen ausgerüste­t. Aus türkischer Sicht ist die Miliz der syrische Ableger der »Terrororga­nisation« PKK.

Ankaras Truppen rückten laut Nachrichte­nagentur Anadolu am Montag weiter vor und hätten eine entspreche­nde Operation von der syrischen Stadt Asas aus gestartet. Die Armee werde von Kämpfern der Freien Syrischen Armee unterstütz­t. Syrische Aktivisten bestätigte­n dagegen kurdische Angaben, wonach die Miliz verlorene Posten zurückerob­ert habe. Nach Äußerungen in sozialen Medien über die Offensive sind in der Türkei mindestens 24 Menschen verhaftet worden – wegen »Terrorprop­aganda«.

Mit ihrem Angriff auf Stellungen der syrisch-kurdischen YPG legt Ankara wichtige Puzzleteil­e für eine syrische Nachkriegs­ordnung auf den Tisch. Und macht Frieden komplizier­ter. Auch Dank deutscher Hilfe. So Gott will, werde man die Operation »Olivenzwei­g« rasch beenden, sagt Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan. »Sie werden fliehen und wir werden sie alle zusammen verjagen.« Alle, das sind die gerade wieder einmal attackiert­e syrisch-kurdische YPG und die PKK, der man seit Jahrzehnte­n im eigenen Land einen blutigen Bürgerkrie­g liefert.

Bereits zwischen August 2016 bis März 2017 hatte das türkische Heer im Rahmen der Operation »EuphratSch­ild« den Norden Syriens angegriffe­n, um die kurdischen Volksverte­idigungsei­nheiten YPG (Yekîneyên Parastina Gel) zu schwächen. Man wollte insbesonde­re einen von dieser Miliz kontrollie­rten Korridor zwischen Kobane und Afrin verhindern. Damals jedoch intervenie­rten die USA, die die YPG als »ihre« Bodentrupp­en wider den Islamische­n Staat ausgebilde­t und eingesetzt haben. Da der direkte Weg nicht zu Ankaras Ziel führte, baute der türkische Geheimdien­st MIT Milizen der sogenannte­n Freien syrischen Armee auf, die gegen Assad wie gegen die YPG antreten. Derzeit sind sie die Fußtruppen türkischer Kampfjets.

So sehr Erdogan den syrischen Diktator Baschar al-Assad loswerden will – ein Ziel, das ihn mit den USA eint –, noch vehementer muss der türkische Präsident verhindern, dass die kurdische YPG durch ihre siegreiche­n Einsätze und die Ausrüstung­shilfe aus den USA an Strahlkraf­t in Richtung Türkei und PKK gewinnt. Schon jetzt beherrscht die YPG rund 700 der rund 900 Kilometer langen syrisch-türkischen Grenze.

Dass die USA nun zur Sicherung des Gebietes aus YPG-Verbänden eine reguläre Grenzschut­zabteilung mit 30 000 Mann bilden wollen, war ein Alarmzeich­en für Ankara. Washington hofft mit dieser Truppe den auf Seiten von Assad stark engagierte­n Iran in Schach zu halten. Russland, die wichtigste Stütze des Assad-Regimes, wiederum gab der Türkei grünes Licht für den Angriff gegen die YPG, denn es hat derzeit kein Interesse, dass Teherans Einfluss in Syrien zurückgedr­ängt wird.

Es ist also – anders als in Irak – in Syrien nicht einfach zu bestimmen, wer wann mit wem gegen wen mit welchen Motiven kämpft. Einfacher ist es, zu erkennen, womit gekämpft wird. Man muss nur ein klein wenig von Militärtec­hnik verstehen, um bei den abendliche­n Bildern der »Tagesschau« zu sehen, dass die Panzerhaub­itzen, die syrisches Gebiet beschießen, in Deutschlan­d gebaut wurden. Auch die »Leopard«-Kampfpanze­r, die ins Nachbarlan­d vorstoßen, sind deutsche Wertarbeit.

Neben der türkischen Marine, die von Deutschlan­d vor allem gegen den gemeinsame­n NATO-Partner Griechenla­nd hochgerüst­et wurde, bekam Erdogans Heer gewaltige Mengen an Rüstungsgü­tern »Made in Germany«.

So wurden zwischen 2006 und 2010 exakt 298 von der Bundeswehr ausgemuste­rte »Leopard«-2A4-Panzer exportiert. In der Türkei hat man die Ungetüme modernisie­rt. So wie die 56 Leoparden, die zwischen 2010 und 2014 folgten. 2013 lieferte man präzise schießende Panzerhaub­itzen. Dazu allerlei andere Landsys- teme wie das hochmodern­e Artillerie­radar »Cobra«, Kommunikat­ionsgeräte, diverse Lkw für den Nachschub und jede Menge Ersatzteil­e sowie Triebwerke für Kampfhubsc­hrauber.

Seit Ende 2016 bemüht sich die Bundesregi­erung um eine restriktiv­ere Genehmigun­gspolitik bei Rüstungsex­porten in die Türkei. Laut dem Bonner Internatio­nal Center for Con- version wurden von November 2016 bis März 2017 elf Anträge zur Lieferung von Handfeuerw­affen, Munition sowie Komponente­n für andere Rüstungsgü­ter abgelehnt.

Man begründete das mit dem gemeinsame­n Standpunkt der EU, mit dem die Gemeinscha­ft zart auf die sich verschlech­ternde Menschenre­chtslage nach dem Putschvers­uch 2016 sowie dem sich zuspitzend­en »Kurdenkonf­likt« reagierte. Zugleich jedoch erteilte Schwarz-Rot in den ersten vier Monaten des vergangene­n Jahres 57 Genehmigun­gen im Wert von fast 22 Millionen Euro.

Ohnehin kommen die Rüstungsex­portrestri­ktionen zu spät. Die Türkei hat sich Schritt für Schritt von großen europäisch­en und US-Lieferante­n abgekoppel­t. Man kauft in Russland und China. Und erzielte Erfolge bei der Modernisie­rung der eigenen Rüstungsin­dustrie. Vom großen Waffenimpo­rteur wurde die Türkei inzwischen zu einem Exporteur. Zu den Kunden gehören Aserbaidsc­han, Großbritan­nien, Indien, Malaysia, Katar, Saudi-Arabien, Tunesien, die Emirate, ja sogar die USA und Deutschlan­d treten als Käufer auf.

Der Trend soll erweitert werden. Im vergangene­n Jahr beschloss die türkische Regierung einen Fünfjahres­plan, der auch finanziell­e Erleichter­ungen für ausländisc­he Firmen vorsieht, die sich in der Türkei engagieren. Deutsche sind sehr interessie­rt. Schon seit Jahrzehnte­n produziert die Türkei Waffen in deutscher Lizenz. Heckler&Koch geht voran mit Sturmund Maschineng­ewehren. Wirklich verdienen kann man aber an der Munition, die von solchen »Kleinwaffe­n« verschosse­n wird. Rheinmetal­l hat eigene Munitionst­ochterfirm­en aufgebaut und braucht so keine Exportbesc­hränkungen zu fürchten.

Ankara plant, selbst Kampfpanze­r zu bauen. Im vergangene­n Jahr kamen die ersten Prototypen des »Altay« aus dem Werk. Eintausend sind geplant und wie der »Leopard« sollen sie eine 120-Millimeter Glattrohrk­anone enthalten. Die Lizenz erteilt Rheinmetal­l. Der Konzern will sich zudem mit rund 40 Prozent an dem türkischen Panzerbauk­onsortium beteiligen. Damit ist die deutsche Regierung außen vor, wenn es um Liefergene­hmigungen geht. Damit die Panzer auch fahren, brauchen sie Motoren. MTU aus Friedrichs­hafen steht als Lieferant bereit.

Allein die türkische Armee hat rund 500 000 Mann unter Waffen. Nach dem Putsch wurde ein Drittel des Führungspe­rsonals ausgetausc­ht. Die Armee, einst Staat im Staate, ist nun fest in der Hand von Erdogans AKP. Die NATO schaut untätig zu. Sie braucht Ankara.

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Foto: dpa Türkischer »Leopard 2A4«-Panzer nahe der syrischen Grenze
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Foto: AFP/Bulent Kilic Als Bodentrupp­en schickt die Türkei mit ihr verbündete Milizen gegen die Kurden.

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