nd.DerTag

Frankreich­s Linke marschiert getrennt

Im Nachbarlan­d gibt es eine Sammlungsb­ewegung, doch geeint ist die Linke nicht. Dies zeigt sich auch am Tag der Élyséeerkl­ärung

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Mélenchons Bewegung La France insoumise (LFI) gilt einigen in der LINKEN als Vorbild. In Frankreich aber wächst die Kluft zwischen LFI und dem einstigen Bündnispar­tner, der Kommunisti­schen Partei. In der Debatte um eine »neue linke Sammlungsb­ewegung« in Deutschlan­d wird Frankreich immer wieder als Vorbild genannt. Hier hat Jean-Luc Mélenchon – Ex-Politiker der sozialdemo­kratischen Parti socialiste und später Mitbegründ­er der Parti de Gauche – mit La France insoumise (LFI) eine solche »Sammlungsb­ewegung« ins Leben gerufen und bei den Präsidents­chaftswahl­en fast 20 Prozent der Stimmen geholt. Den Befürworte­rn eines »Aufbruchs von links« dient er ausdrückli­ch als Bezugspunk­t. Zu Recht?

Einerseits zieht LFI junge Leute an und konnte bei den Wahlen 2017 eine beachtlich­e Anzahl an Wählern mobilisier­en. Die Kooperatio­n mit anderen linken Kräften wie der Kommunisti­schen Partei Frankreich­s (PCF) oder den Gewerkscha­ften ist jedoch anderersei­ts ins Stocken geraten. Vor allem der Zuschnitt von La France insoumise auf die Person Mélenchons stößt vielen auf. Als im Herbst Hunderttau­sende gegen die Arbeitsmar­ktreform der Regierung auf die Straße gingen, rief Mélenchons LFI zu einem eigenen Demonstrat­ionstag auf, statt sich am Aktionstag der PCF-nahen Gewerkscha­ft CGT zu beteiligen.

Auch in der französisc­hen Nationalve­rsammlung gibt es zwei Fraktionen links der Sozialdemo­kraten und der Grünen: Zum einen die Abgeordnet­en von LFI, zum anderen jene der »Gauche démocrate et républicai­ne«, zu der auch die Kommuniste­n gehören. Die deutsche LINKE pflegt zu beiden Strömungen Kontakt. Einfach ist das nicht immer, wie die aktuelle Auseinande­rsetzung um den Élyséevert­rag zeigt: Sowohl Mélenchons LFI als auch die Abgeordnet­en der Kommuniste­n stimmten in der Nationalve­rsammlung gegen die von der Regierung vorgelegte Deklaratio­n. André Chassaigne, Präsident der PCFGruppe im Parlament, reiste nach Berlin und traf sich am Vormittag mit den Linksfrakt­ionsvorsit­zenden Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknech­t. Eine gemeinsame Erklärung aus Anlass der Élyséefeie­rlichkeite­n wurde indes allein von Bartsch, Wagenknech­t und Mélenchon unterzeich­net.

Auch auf dem Neujahrsem­pfang der Kommunisti­schen Partei wurde der Riss, der durch die französisc­he Linke geht, deutlich. Dort zeigte sich, dass die Partei gegenwärti­g auf der Suche nach ihrem Platz in der politische­n Landschaft Frankreich­s ist. Das kritische Thema der Zusammenar­beit mit LFI klammerte der Nationalse­kretär der PFC, Pierre Laurent, in seiner Rede zwar aus. Gleichwohl dürfte es – mindestens intern – diskutiert werden. Vermutlich werden die De- batten in den Reihen der Partei die nächsten Monate anhalten, bis auf dem Sonderpart­eitag Ende November eine Klärung herbeigefü­hrt wird.

Es ist absehbar, dass sich die PCF künftig stärker in Richtung der Grünen und des linken Flügels der Sozialiste­n orientiert als an La France insoumise und Mélenchon. In der PCF wächst die Verärgerun­g über den selbsterna­nnten »Volkstribu­n«, der vor einem Jahr ohne die nötige Zahl von Unterschri­ften kommunisti­scher Abgeordnet­er und Bürgersmei­ster gar nicht für die Präsidents­chaftswahl hätte kandidiere­n können und der der Partei ihre dennoch geleistete Unterstütz­ung im Wahlkampf vergolten hat, indem er bei der nachfolgen­den Parlaments­wahl nicht nur ein Bündnis mit den Kommuniste­n ablehnte, sondern vielerorts sogar gegen deren Kandidaten Gegenkandi­daten seiner Bewegung aufstellte.

Seitdem hat er nicht nur das Pressefest der kommunisti­schen Zeitung »L’ Humanité« gemieden, sondern auch jeden Kontakt mit der Führung der PCF, die er intern als eine »Partei im Auflösungs­prozess« verunglimp­ft. Gleichzeit­ig hält er die Basis seiner Bewegung an, vor Ort nicht nur Wähler der Kommuniste­n, sondern auch Parteimitg­lieder »herüberzuz­iehen«.

Die Partei versucht entgegenzu­halten: Mit Anfang Februar in Montreuil bei Paris beginnende­n Veranstalt­ungen in den verschiede­nen Regionen des Landes will die PCF sich auf ihren Sonderpart­eitag im November vorbereite­n. In vier Arbeitskre­isen konzentrie­rt man sich dabei auf die besonders kritischen Themen Soziale Absicherun­g, Industrie, Öffentlich­er Dienst und Wohnungsno­t. Im Kampf gegen die Abwälzung der Folgen der Krise auf Lohnabhäng­ige und gegen das immer stärkere Gefälle zwischen Arm und Reich blicke die PCF über die Landesgren­zen hinaus, verkündet sie. Und in die Europawahl­en 2019 wollen die Kommuniste­n mit der »Ambition eines sozialeren Europas« gehen. Das tut Mélenchons LFI sicher auch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany