nd.DerTag

Berufssohn

- Von Christian Baron

Es gab eine Zeit, da galt im Kulturjour­nalismus noch, dass es in der Kunst nicht etwa um Leben und Tod gehe, sondern um viel mehr. Davon ist wenig übrig. Der Neoliberal­ismus hat das Nützlichke­itsdenken zum Naturgeset­z verklärt. Kaum eine Arbeit jenseits wirtschaft­licher Verwertbar­keit ist mehr gern gesehen. Den Rest erledigt die postmodern­e Kulturhege­monie, die lange schon den Tod des unironisch­en, apodiktisc­hen Autors fordert und eine Argumentat­ion vor allem nach ihrem moralische­n Gehalt beurteilt.

Wie unerwartet und wundersam da die Wucht der Debatte um Simon Strauß gerade die auch sprachlich oft zum »Kulturteil« degradiert­en Feuilleton­s wiederbele­bt! Strauß ist Ende zwanzig, und er arbeitet als Theaterkri­tiker für die »FAZ«. Im vergangene­n Sommer hat er das Essaybuch »Sieben Nächte« veröffentl­icht. Darin raunt und greint und säuselt ein junger Mann, »seine« Generation sei so wohlstands­besoffen, dass ihr Leben einfach keine sinnliche Bedeutung mehr finde. Wo sich zu Beginn des vergangene­n Jahrhunder­ts kriegslüst­erne Literaten nach einem »Stahlbad« sehnten, da wünscht sich Straußens Erzähler ein »heroisches Zeitalter«. Die Frage, über die in den Zeitungen gerade endlich mal wieder fundamenta­l gerungen wird, lautet: Ist dieser politroman­tische Ansatz eine künstleris­che Haltung?

Putzig, dass ausgerechn­et ein offensicht­lich gelangweil­ter Berufssohn die Journalist­en kurzzeitig von ihrer ritualisie­rten Wohlfühlwa­rte wegzieht. Simon Strauß ist der Spross des Schriftste­llers Botho Strauß, der das rechtslast­ige Raunen in den Debattenzw­ischenräum­en seit den Neunzigern great again machen möchte.

Von seinem alten Herrn hat Simon Strauß sich abgeschaut, wie man im Ungefähren bleibt und trotzdem von sich reden macht. Zum Glück erhielt Strauß junior für seine Recherchen zu dem Holocaust-Überlebend­en Rolf Joseph jetzt den »German Jewish History Award«. Das verdrängt aus der bislang erstaunlic­h kontrovers­en Debatte jene Moral, mit deren Hilfe etwa die »taz« Simon Strauß zum personifiz­ierten Untergang des liberalen Abendlande­s überhöhte.

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Foto: dpa/Martin Walz Macht gern durch Raunen von sich reden: Simon Strauß

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