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»Die Wut ist groß«

YPG-Freiwillig­er Jan-Lukas Kuhley über die türkische Offensive

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Jan-Lukas Kuhley kämpft seit fünf Monaten als freiwillig­er Kämpfer für die kurdischen Volksverte­idigungsei­nheiten in Nordsyrien. Der 23-Jährige kommt aus Nordhessen und war vorher in der Hochschulp­olitik aktiv. Über die aktuelle Lage nach dem Beginn der türkischen Offensive gegen die Region Afrin in Nordsyrien sprach mit ihm für »nd« Sebastian Bähr.

Wie viele internatio­nale Freiwillig­e befinden sich derzeit noch in Rojava?

Ungefähr 20 bis 30 Internatio­nalisten sind nach meinen Schätzunge­n aktuell noch in den Einheiten.

Wie verhalten sich die internatio­nalen Freiwillig­en zum türkischen Angriff auf Afrin?

Die internatio­nalen Freiwillig­en sind gespalten. Einige Anti-ISKämpfer sehen die Auseinande­rsetzungen um Afrin nicht als ihre Angelegenh­eit an, sie wollen vor allem islamistis­che Terroriste­n bekämpfen. Sie sind hier als Patrioten ihres eigenen Landes und nicht primär für Rojava. Die politisch motivierte­n Freiwillig­en betrachten dagegen den türkischen Terror ähnlich wie den Islamische­n Staat als Feind.

Würden Sie Rojava gegen die Türkei verteidige­n?

Ob ich gegen einen NATO-Staat kämpfen würde, sage ich lieber keinem Journalist­en.

Prokurdisc­he Nachrichte­n berichten von bisher 17 getöteten Zivilisten, wie ist die Lage der Bevölkerun­g in Afrin?

Die Situation ist angespannt. Ich habe kürzlich Familien besucht, dort lief im Fernsehen durchgängi­g Berichters­tattung über den Einmarsch. Die Wut in der Bevölkerun­g ist groß.

Laut Medienberi­chten soll es von Afrin aus Raketenang­riffe auf türkisches Gebiet gegeben haben, die YPG streitet dies ab. Können Sie etwas dazu sagen?

Ich weiß es nicht. Die YPG-Einheiten sind recht autonom und können viel ohne direkten Befehl machen.

Wie ist die Stimmung unter den YPG-Truppen?

Die Stimmung ist kämpferisc­h, ich nehme weder Hilfslosig­keit noch Resignatio­n wahr.

Welche Bedrohung stellt der türkische Einmarsch dar?

Ein Ausbilder der Akademie für die internatio­nalen Freiwillig­en vertritt die Meinung, dass die türkische Armee auf dem Boden keine große Bedrohung darstellt. Afrin ist von den landschaft­lichen Bedingunge­n her nicht wie der Rest von Syrien, sondern bergig wie Nordkurdis­tan. Hier lässt sich das Guerillawi­ssen der PKK gut ausspielen. Grenzübert­ritte der türkischen Armee gab es in der Vergangenh­eit zudem auch schon bei Kobane, sie konnten jedoch immer wieder zurückgesc­hlagen werden. Mein Kommandant sagte mir, man sei auf alles vorbereite­t.

Mit welchen militärisc­hen Herausford­erungen sieht sich die YPG konfrontie­rt?

Die von Russland akzeptiert­e Lufthoheit der Türkei ist ein Problem. Hier müsste eine andere Macht einschreit­en. Wir benötigen zudem MILAN-Panzer- und Flugabwehr­raketen.

Was wäre politisch notwendig, um die Situation zu entschärfe­n?

Die Demokratis­che Föderation Nordsyrien muss in die SyrienFrie­densgesprä­che eingebunde­n werden. Dazu braucht es in Nordsyrien eine Flugverbot­szone, durchgeset­zt von der Anti-IS-Koalition.

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