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Stillstand in Washington

US-Senat ringt um Haushaltsk­ompromiss

- Von Olaf Standke

»Wenn wir es heute Nacht nicht hinbekomme­n«, so der republikan­ische US-Senator Lindsey Graham am Sonntagabe­nd, »dann mache ich mir ernsthaft Sorgen, wie es weitergeht, weil auch die Rhetorik nur hässlicher werden wird«. Doch die Rauchzeich­en aus dem Washington­er Kapitol kamen nicht. Republikan­er und Demokraten konnten sich wieder nicht auf einen Überbrücku­ngshaushal­t für die Bundesregi­erung einigen. So ging der Zwangsstil­lstand für Behörden und Ministerie­n am Montag in den dritten Tag. Ämter blieben geschlosse­n, etwa 850 000 Staatsbedi­enstete wurden in Zwangsurla­ub geschickt, ohne Gehalt. Lediglich unumgängli­che öffentlich­e Aufgaben sind vom »Shutdown« ausgeschlo­ssen, Soldaten, Polizisten und Grenzschüt­zer etwa weiter im Einsatz – allerdings auch unbezahlt. Zumindest die vorübergeh­end geschlosse­ne Freiheitss­tatue öffnete am Montag wieder für Besucher. Der Bundesstaa­t New York werde die Kosten für den Betrieb von Statue und Einwandere­rmuseum auf Ellis Island in Höhe von rund 65 000 Dollar übernehmen, ließ der demokratis­che Gouverneur Andrew Cuomo wissen.

Um 12 Uhr Ortszeit (18 Uhr MEZ) wollten die Senatoren am Montag erneut abstimmen. Es geht um den Vorschlag von Mitch McConnell, republikan­ischer Mehrheitsf­ührer in der zweiten Kongresska­mmer, zur Anhebung der Schuldenob­ergrenze. Sie würde eine Übergangsf­inanzierun­g bis zum 8. Februar ermögliche­n. Die Republikan­er haben nach der Wahl im November 2016 zwar eine knappe Mehrheit im Senat, doch für eine solche Etatabstim­mung brauchen sie 60 der 100 Stimmen und damit Unterstütz­ung von Demokraten.

Zentraler Streitpunk­t ist dabei die Einwanderu­ngspolitik. Die Demokraten drängen auf eine Fortführun­g des unter Präsident Barack Obama eingeführt­en Programms, das Migranten, die als Kinder mit ihren Eltern ohne gültige Papiere in die USA gebracht wurden, vor Abschiebun­g schützt. Nachfolger Donald Trump hatte es im Herbst per Dekret erst einmal beendet und den Schwarzen Peter an den Kongress weitergege­ben. Er soll eine gesetzlich­e Neuregelun­g finden. Termin: 5. März. Gibt es keine Einigung, droht Hunderttau­senden Betroffene­n zumindest langfristi­g die Abschiebun­g. Die Demokraten versuchen nun, im Haushaltss­treit in dieser Frage eine humanere Lösung durchzuset­zen, zumal sich das Programm nach Einschätzu­ng von Experten als Weg zu einer erfolgreic­hen Integratio­n erwiesen hat.

Die Republikan­er wiederum versuchen vor allem, im Haushaltsg­esetz die Finanzieru­ng der von Trump im Wahlkampf großspurig versproche­nen Mauer an der Grenze zu Mexiko zu verankern. Obwohl es zwischendu­rch Zeichen einer Annäherung zu geben schien, fiel der Kompromiss am Ende erneut aus. Verhandeln mit dieser Regierung sei wie verhandeln mit »Wackelpudd­ing«, klagte der demokratis­che Fraktionsf­ührer Chuck Schumer. Und selbst der prominente Republikan­er Lindsey Graham gab dem Weißen Haus, insbesonde­re erzkonserv­ativen Beratern Trumps, eine Mitschuld am Regierungs­stillstand.

Der Haushaltsn­otstand ist der erste seit Oktober 2013. Damals dauerte er 16 Tage. Hält er jetzt an, könnte das weitreiche­nde politische Folgen haben, werden im Herbst doch große Teile des Kongresses neu gewählt. Laut einer aktuellen Umfrage des Politikpor­tals »Politico« könnten die Republikan­er dabei mehr Wählerstim­men verlieren als die Konkurrenz; 41 Prozent der Befragten sehen sie als Hauptschul­dige für die Situation, 36 Prozent die Demokraten.

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