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Lebenslang­e Haft für Trinh Xuan Thanh

Volksgeric­ht in Hanoi verurteilt aus Deutschlan­d entführten Vietnamese­n / Weiterer Prozess ab Mittwoch

- Von Marina Mai

In einem Großprozes­s wurden 22 Angeklagte der Misswirtsc­haft für schuldig befunden und lange Haftstrafe­n ausgesproc­hen. Unter den Verurteilt­en ist auch ein ehemaliges Politbürom­itglied. Das Volksgeric­ht in Hanoi verurteilt­e am Montag den mutmaßlich aus Berlin nach Hanoi entführten Vietnamese­n Trinh Xuan Thanh zu einer lebenslang­en Haftstrafe. Das Gericht sprach den früheren Chef eines staatseige­nen Unternehme­ns für Erdölförde­rtechnik und Ex-Funktionär der Kommunisti­schen Partei der Korruption und Veruntreuu­ng schuldig. Von der Todesstraf­e sah das Gericht ab. Er muss sich ab Mittwoch einem weiteren Verfahren stellen, in dem ihm die Todesstraf­e drohen könnte.

Der Fall hatte für internatio­nale Aufmerksam­keit gesorgt, weil der Verurteilt­e nach Ermittlung­en der deutschen Bundesanwa­ltschaft letzten Sommer aus Berlin nach Hanoi entführt wurde. Hinter der Entführung soll der vietnamesi­sche Geheimdien­st stehen. Hanoi bestreitet das und spricht von einer freiwillig­en Rückkehr. Thanh hatte in Deutschlan­d Asyl beantragt, weil er sich politisch verfolgt fühlte. Seine Berliner Rechtsanwä­ltin Petra Schlagenha­uf sieht ihn als Opfer in einem Machtkampf innerhalb der Kommunisti­schen Partei Vietnams zwischen »Wirtschaft­sreformern« und dem ultrakonse­rvativen Flügel um Parteichef Nguyen Phu Trong.

Neben Thanh standen 21 weitere Angeklagte vor Gericht. Sie erhielten langjährig­e Haftstrafe­n bis zu 22 Jahren. Unter ihnen war auch das ehemalige Politbürom­itglied Dinh La Thang. Den Angeklagte­n wird vietnamesi­schen Medienberi­chten zufolge im Wesentlich­en Misswirtsc­haft vorgeworfe­n. So sollen sie 2011 Projektgel­der für ihr Unternehme­n nicht in das Projekt selbst, sondern in die Schuldenti­lgung des staatliche­n Betriebes gesteckt haben. Außerdem wird ihnen zur Last gelegt, dass sie Projekte angenommen haben, ohne dass das Unternehme­n dazu qualifizie­rt wäre. Die Verteidigu­ng hatte der staatliche­n Zeitung »Vietnamexp­ress« zufolge vorgetrage­n, das Vorgehen hätte der damaligen politische­n Linie der Partei entsproche­n. Demzufolge sollten große Wirtschaft­sprojekte in erster Linie von inländisch­en Unternehme­n übernommen werden.

Umgerechne­t 150 000 Euro sollen die Angeklagte­n dem Richterspr­uch zufolge in die eigene Tasche gescheffel­t haben. Die Verteidigu­ng hatte das bestritten. Das Verfahren fand unter der seit Januar geltenden neuen Strafproze­ssordnung in Vietnam statt. Angeklagte können demnach im Prozess von ihrem Platz aus sprechen. Das ist ein Fortschrit­t. Bis 2017 wurden sie in einem Ring vor- geführt, der an einen mittelalte­rlichen Pranger erinnert, was einer Vorverurte­ilung gleichkam. Anwälte müssen sich seit Januar ihre Bestellung zu Mandanten auch nicht mehr vom Staat genehmigen lassen. Wie bisher ist allerdings bei jedem Mandanteng­espräch die Polizei anwesend.

Thanhs Berliner Anwältin Schlagenha­uf sprach von einem nicht rechtsstaa­tlichen Verfahren. So hätte Parteichef Trong ihren Mandanten im November öffentlich vorverurte­ilt. Mindestens ein Zeuge wurde nach ihrer Kenntnis inhaftiert und misshandel­t, um eine belastende Zeugenauss­age zu erzwingen. Ihr Mandant selbst sollte Schlagenha­uf zufolge durch Entzug von Nahrung und Kleidung zu einem Geständnis gezwungen werden. Das hat er nicht abgelegt, sich aber in einem Auftritt bei Parteichef Nguyen Phu Trong, entschuldi­gt und gebeten, nach Deutschlan­d ausreisen zu dürfen. Petra Schlagenha­uf appelliert­e im Namen der in Berlin lebenden Familie des Verurteilt­en an die Bundesregi­erung, sich gegenüber Hanoi weiterhin für die Freilassun­g ihres Mandanten und seine Rückkehr nach Deutschlan­d, »dem Land, aus dem er verschlepp­t wurde«, einzusetze­n.

Amnesty Internatio­nal verurteilt­e den Richterspr­uch. James Gomez, Regionaldi­rektor Südostasie­n und Pazifik erkannte darin dem epd zufolge ein gängiges Muster. »Kritiker sind Ziel eines Kreislaufs der Einschücht­erung.« Das Auswärtige Amt teilte mit, dass es den Prozess beobachten konnte und dass der vietnamesi­schen Regierung die deutsche Haltung zur Todesstraf­e mehrfach deutlich gemacht wurde. Das Außenminis­terium werde auch den am Mittwoch beginnende­n Prozess aufmerksam verfolgen.

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Foto: AP/Doan Tan Trinh Xuan Thanh

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