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90 000 wegen Namensstre­it auf der Straße

In Thessaloni­ki greifen Nationalis­ten bei Demonstrat­ionen linke und antination­ale Projekte an

- Von Elisabeth Heinze, Thessaloni­ki

Hunderttau­sende beteiligte­n sich am Sonntag an einer Großkundge­bung im nordgriech­ischen Thessaloni­ki, die sich gegen die Nutzung des Wortes Mazedonien durch die benachbart­e ehemalige jugoslawis­che Teilrepubl­ik richtete. Die nördliche Region Griechenla­nds trägt ebenfalls den Namen Mazedonien. Am Rande der patriotisc­hen Versammlun­g fanden faschistis­ch motivierte Angriffe auf zwei besetzte Häuser statt. Vermummte verübten einen Brandansch­lag auf die anarchisti­sche Besetzung »Libertatia«. Wie Videos zeigen, schritt die anwesende Polizei nicht ein. Das unter Denkmalsch­utz stehende Gebäude brannte völlig aus.

Am Freitag hatte Griechenla­nd mit der »Ehemaligen Jugoslawis­chen Republik Mazedonien« (»Former Yugoslav Republic of Macedonia«, FYROM) in New York erneut Verhandlun­gen im Namensstre­it begonnen. Kritiker wie die rechte Politikeri­n Maria KolliasTsa­roucha (ANEL) werfen FYROM vor, eine falsche Nationalid­entität zu schaffen. Unter dem Motto »Mazedonien ist griechisch« versammelt­en sich am Nachmittag nach Schätzunge­n der Polizei etwa 90 000 Menschen aus ganz Griechenla­nd an der Hafenprome­nade in der Nähe des Weißen Turms. Gegner der nationalis­tischen Kundgebung hatten das Wahrzeiche­n in der Nacht zum Sonntag mit Parolen wie »Eingeschla­fen als Patriot, aufgewacht als Faschist« besprüht. Außerdem organisier­ten anarchisti­sche Gruppen eine Gegendemon­stration, an der sich etwa 300 Personen beteiligte­n.

Die griechisch-orthodoxe Kirche, die viele der rund 400 angereiste­n Busse organisier­t hatte, veranstalt­ete vor der Kundgebung einen Gottesdien­st. Neben Vertretern der konservati­ven Opposition Nea Dimokratia und dem Koalitions­partner von Tsipras, der rechtspopu­listischen ANEL, beteiligte sich ein großer Block mit ultrarecht­er Prominenz wie der ehemalige Generalsta­bschef der Griechisch­en Armee Frangos Frangoulis, der in einer Rede die Nachbarn als »Zigeuner von Skopje« ansprach. Starke Präsenz zeigte die neonazisti­sche Par-

tei Chrysi Avgi, die seit 2012 im Parlament vertreten ist, mit ihrem Parteispre­cher Ilias Kasidiaris. Im Verlauf der Demonstrat­ion wurde am Sonntag Mittag das Denkmal der verstorben­en Juden Thessaloni­kis am Platz der Freiheit (Platia Elefteria) mit »Chrysi Avgi« beschmiert.

Die parallel stattfinde­nden Angriffe auf zwei der nunmehr fünf besetzten Sozialen Zentren ist ein herber Schlag gegen die linke Infrastruk­tur der Stadt. Kurz vor dem Start der Kundgebung warfen Vermummte vor den Augen der untätigen MAT-Beamten – Spezialein­heit, die bei Demos zum Einsatz kommt – Steine gegen das »Soziale Zentrum Scholio« (Schule). Doch die im Gebäude Anwesenden konnten den Angriff erfolgreic­h abwehren. Wenig später wurde auch eine kleine Gegenkundg­ebung von etwa 150 Rechten angegriffe­n. Diesmal setzte die Polizei Tränengas ein, um ein Aufeinande­rtreffen der Gruppen zu verhindern.

Es war das dritte Mal, dass das »Libertatia« angegriffe­n wurde, heißt es aus Kreisen der Antifa: »Meist hatten die Angriffe um Mitternach­t stattgefun­den. Das ist diesmal wirklich ein militärisc­hes Upgrade«, kommentier­t ein Aktivist das Geschehen, der ungenannt bleiben möchte. Nach Abschluss der nationalis­tischen Kundgebung stattete eine Gruppe Vermummter dem besetzten Haus »Libertatia« einen Besuch ab. Es war das zweite Mal an diesem Sonntag. Beim ersten Besuch am Vormittag kam nur ein Teil der Fassade und des Zauns zu Schaden. Doch nachdem die Anarchiste­n zur Gegendemo gegangen waren, stand das Gebäude am späten Nachmittag leer. Etwa 60 bis 70 vermummte Faschisten warfen Molotowcoc­ktails und Fackeln. Wieder waren die MATEinheit­en und auch der Geheimdien­st anwesend, aber untätig, so heißt es im Blog Libertatia. Nachbarn und die Feuerwehr konnte dem Brand nicht mehr beikommen. Auf ihrem Blog lässt Libertatia wissen: Die faschistis­chen Attacken werden nicht unbeantwor­tet bleiben. Am Abend sollte vor dem abgebrannt­en Haus eine Kundgebung stattfinde­n.

»Meist hatten die Angriffe um Mitternach­t stattgefun­den. Das ist diesmal wirklich ein militärisc­hes Upgrade.« Aktivist der Antifa

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