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Der Arzt als Unternehme­r

BGH-Grundsatzu­rteil zu Bewertungs­portalen für Mediziner erwartet

- Von Ulrike Henning

Um informatio­nelle Selbstbest­immung von Ärzten und um Werbeprakt­iken von Online-Bewertungs­portalen geht es bei einem Verfahren vor dem Bundesgeri­chtshof. Erneut versucht eine Medizineri­n, ihre Streichung aus einem Bewertungs­portal im Internet gerichtlic­h durchzuset­zen. Die Hautärztin und Allergolog­in will nicht, dass sie auf der Webseite der Jameda GmbH mit akademisch­em Grad, Namen, Fachrichtu­ng und Praxisansc­hrift geführt wird. Mit ihrer Klage auf vollständi­ge Löschung des Eintrags war sie vor dem Landgerich­t Köln gescheiter­t – Begründung: Die Veröffentl­ichung sei datenschut­zrechtlich nicht zu beanstande­n. Das Oberlandes­gericht Köln sah dies genauso, ließ jedoch eine Revision vor dem Bundesgeri­chtshof zu. An diesem Dienstag findet dort die Verhandlun­g statt.

Bereits im September 2014 hatte der BGH einem Gynäkologe­n nicht erlaubt, seine Daten aus dem Gesundheit­sportal Jameda löschen zu lassen, weil das öffentlich­e Interesse höher zu bewerten sei als das Recht des Arztes auf informelle Selbstbest­immung. Diese Entscheidu­ng hatte jedoch nicht berücksich­tigt, dass im Umfeld des Arztprofil­s kostenpfli­chtige Werbung für die Konkurrenz stattfinde­t – das ist Gegenstand des neuen Streitfall­s.

Die Klägerin im aktuellen Fall hatte 2015 insgesamt 17 Bewertunge­n beanstande­t. Diese wurden von Jameda nach Einschaltu­ng eines Anwalts gelöscht, wodurch die Gesamtnote der Ärztin von 4,7 auf 1,5 stieg. Das Problem ist, ob Jameda auf der Profilseit­e der Ärztin auch für konkurrier­ende Mediziner in räumlicher Nähe werben darf. Die Ärztin beantragt die Löschung ihrer Daten, wenn dort angebliche Patienten Bewertunge­n abgegeben können und zudem Werbung für konkurrier­ende Ärzte erscheint.

Erwartet wird ein weiteres Grundsatzu­rteil mit großer Bedeutung für Ärzte, möglicherw­eise auch für weitere Berufe, und für die entspreche­nden Bewertungs­portale. Ein Urteil, das dem Antrag der Ärztin stattgibt, dürfte dazu führen, dass auch andere Mediziner die Löschung ihrer Profile verlangen. Und wird die kommerziel­le Werbung im Umfeld der Profile beanstande­t, hätten Plattforme­n wie Jamedo oder Sanego ein weiteres Problem: Sie müssten ihre Portale dann völlig umgestalte­n.

Offenbar wollen nicht wenige Ärzte dort nicht aufgeführt werden. Zwar könnten sie eigentlich ignorieren, was unzufriede­ne Patienten oder womöglich Beauftragt­e der Konkurrenz dort an Bewertunge­n eintragen, zumal in Deutschlan­d nur wenige Praxen unter Patientenm­angel leiden. Sollten die Mediziner eine derartige Nervenstär­ke aber nicht haben, ist es für sie mit beträchtli­chem Aufwand verbunden, auch nur die relevantes­ten Verzeichni­sse zu kontrollie­ren.

Jameda, 2007 gegründet, ist seit 2016 eine hundertpro­zentige Tochter der Burda Digital GmbH. Das Portal ist nur eines von vielen, die Ärzte und andere Gesundheit­sberufe bewerten. Hinzu kommen branchenun­abhängige Portale wie Yelp oder die Bewertungs­funktionen von Google oder Facebook. Jameda wurde auf Grund der Nutzerzahl­en wiederholt als das größte Portal eingestuft. Besonders relevant dürfte funktionie­rende Werbung im engen, gesetzlich möglichen Rahmen für jene Arztgruppe­n sein, die bei ihren Praxiseinn­ahmen stark auf IGeL-Angebote (vom Patienten zu zahlen) setzen und die privat Versichert­e anziehen wollen. Insofern wird mit der Entscheidu­ng des Bundesgeri­chtshofes auch darüber befunden, wie sehr der ärztliche Beruf zugleich ein unternehme­rischer ist.

Marketingf­achleute sehen es indes als vorteilhaf­t an, wenn Mediziner mindestens in einem Portal mit einem bezahlten Premiumein­trag unterwegs sind. Sie sollten aber ihren Bewertungs­status zumindest auf den beiden größten Portalen regelmäßig überprüfen.

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Foto: imago/Schöning

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