nd.DerTag

Umsteuern für die Bedürftige­n

- Martin Ling über die skandalöse globale Reichtumsv­erteilung

Über die Details kann man streiten, über die Tendenz nicht: Die globale Reichtumsv­erteilung schreit nach Veränderun­g. Darauf macht die Hilfsorgan­isation Oxfam jedes Jahr rechtzeiti­g vor dem Treffen der Reichen und Schönen beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos aufmerksam. 2017 sind demnach 82 Prozent des gesamten Vermögensz­uwachses auf der Welt an nur ein Prozent der Weltbevölk­erung geflossen – und zwar an jenes eine Prozent, das schon vorher das meiste besaß. Die gesellscha­ftliche Stabilität wird durch solche Tendenzen Zug um Zug unterhöhlt.

Reichtum per se ist kein Verbrechen, es nicht zum gesellscha­ftlichen Wohl zu besteuern, jedoch ein Politikver­sagen ersten Ranges. Das Geschäftsm­odell der außereurop­äischen Steueroase­n wurde in den Finanzzent­ren von London und New York von findigen Juristen und Bankern ersonnen. Sie zu schließen und einen weltweiten Mindestste­uersatz für Konzerne einzuführe­n, wird aller Sonntagsre­den zum Trotz auf die lange Bank geschoben – mit Billigung auch der Bundesregi­erung.

Auf 1000 Milliarden Dollar pro Jahr wird von der entwicklun­gspolitisc­hen Organisati­on One der Schaden beziffert, der den Ländern des Globalen Südens durch Steuerhint­erziehung, Steuerverm­eidung und Korruption entsteht. Seit Jahren drängen die in der G77 organisier­ten Entwicklun­gs- und Schwellenl­änder darauf, eine internatio­nale Steuerorga­nisation unter dem Dach der Vereinten Nationen einzuricht­en, die den globalen illegalen Steuerhint­erziehungs- und noch legalen Steuerverm­eidungspra­ktiken Einhalt gebietet. Wer sich weigert, sind die Staaten des reichen Nordens. Den Preis dafür zahlen hier wie dort die Bedürftige­n.

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