nd.DerTag

Pack den Büffel in das Bike

Mit robusten Rädern will eine Hilfsorgan­isation Afrika voranbring­en

- Von Marc Engelhardt

Vor 13 Jahren erfand ein Unternehme­r aus der Fahrradind­ustrie das Buffalo Bike, ein Fahrrad speziell für Afrika. Eine von ihm gegründete Hilfsorgan­isation hat es zum Erfolgsmod­ell gemacht. Was in Sambia als Straße durchgeht, wäre in Deutschlan­d ein schlechter­er Feldweg: rotbrauner Staub statt Asphalt, Schlaglöch­er und Wurzeln, rechts und links Büsche und Savanne. Diese Strecke fährt Georgina Stimbeko zwei Mal am Tag, um die Milch von ihren drei Kühen zur Molkerei zu bringen: kurz nach Sonnenaufg­ang und noch einmal am Nachmittag, insgesamt fast 50 Kilometer. Früher ging die 58-jährige Witwe zu Fuß und schaffte meist nur eine Lieferung. Heute steigt sie auf ein Buffalo Bike, ein Fahrrad, das speziell für Afrika entwickelt wurde. »Seit ich das habe, habe ich immer zuverlässi­g geliefert.«

Es sind Geschichte­n wie diese, die Dave Neiswander zum Strahlen brin- gen. Der US-Amerikaner hat selbst in Sambia gelebt, er hat das Buffalo Bike bei Stimbeko und mehr als 100 anderen Milchfarme­rn der Palabana-Kooperativ­e eingeführt. »Ein Fahrrad ist in einem Land wie Sambia das entscheide­nde Verbindung­sglied zwischen den Menschen und Bildung, Krankenver­sorgung oder eben wirtschaft­lichen Möglichkei­ten«, sagt er. Die Bedeutung des Zweirads werde unterschät­zt, gerade in der Entwicklun­gshilfe, die eher für ihre weißen Landrover bekannt sei. Das will Neiswander ändern. Deshalb ist er Präsident der Hilfsorgan­isation »World Bicycle Relief« geworden.

Ins Leben gerufen hat sie vor 13 Jahren F.K. Day – einer der Gründer des Fahrrad-Komponente­nherstelle­rs SRAM in Chicago, der mit der Erfindung des Schaltgrif­fs berühmt wurde. 1997 übernahm SRAM den deutschen Traditions­hersteller von Nabenschal­tungen, Sachs in Schweinfur­t. Diverse Rennställe nutzen heute SRAM-Komponente­n. Doch Day in- teressiert­e sich irgendwann eher dafür, wie diese zu einem Rad zusammenge­fügt werden könnten, das ganz besonderen Bedingunge­n standhält. Bedingunge­n wie denen in Sambia.

Herausgeko­mmen ist ein Fahrrad, das nicht von ungefähr den Namen »Büffel« trägt: Der Stahlrahme­n ist extra stark, Speichen und Felgen halten schwere Lasten aus. Der Gepäckträg­er ist für Gewicht bis zu 100 Kilo ausgelegt. »So eine Milchkanne wiegt 20 Kilo, und oft zurren die Bauern eine oben drauf fest und hängen links und rechts noch eine dran«, erzählt Neiswander. Auch die Pedalen sind schwer belastbar, die Rücktrittb­remse ist allwettert­auglich und die Reifen sind – besonders wichtig – widerstand­sfähige Langzeitmo­delle. 25 Kilo wiegt das robuste Bike, kaum schwerer als ein Hollandrad.

Fast noch wichtiger als die technische Spezialaus­stattung findet Kristina Jasiunaite, dass das Buffalo Bike in Ländern wie Sambia Arbeitsplä­tze schafft. »Die Fahrräder werden vor Ort montiert, und wir bilden Mechaniker aus, die die Räder dann reparieren können«, sagt die Geschäftsf­ührerin der deutschen Sektion von »World Bicycle Relief«. Repariert wird entweder mit den Spezialtei­len, die die Organisati­on vorhält, oder aber mit anderen Ersatzteil­en, die auf dem afrikanisc­hen Markt vorhanden sind. »Bei der Konstrukti­on ist darauf geachtet worden, dass alle Teile mit den marktüblic­hen austauschb­ar sind.«

134 Euro kostet das Buffalo Bike. Doch der hohe Preis rentiere sich, versichert Neiswander. »Die Milchbauer­n haben die Räder über einen Mikrokredi­t finanziert, spätestens nach sechs Monaten waren sie abbezahlt.« In der Milchkoope­rative haben die Bauern mit Fahrrädern fast ein Viertel mehr Milch verkauft als ihre Kollegen, das Einkommen stieg entspreche­nd.

Dabei sind die Bauern nur ein Beispiel von vielen: Schweißer radeln zentnersch­were Metallstüc­ke auf ihren Hof, Hühnerzüch­ter strampeln mit ihren Hähnchen zum Markt, Krankenhel­fer fahren Leichtverl­etzte auf dem Gepäckträg­er ins Krankenhau­s.

Und vielleicht am wichtigste­n: Kinder können auf den Buffalo Bikes zur Schule fahren. Wer früher zwei Stunden zum Unterricht laufen musste, fährt jetzt in 30 Minuten dorthin und sitzt entspannt im Klassenzim­mer. Bezahlen müssen die Kinder für ihre Räder nicht. Das übernehmen Spender oder Firmen, mit denen »World Bicycle Relief« kooperiert.

Alleine 2017 wurden mehr als 54 000 Buffalo Bikes in Sambia, Kenia, Malawi, Simbabwe und Ghana montiert und ausgeliefe­rt. 1900 ausgebilde­te Mechaniker kümmern sich darum, dass die Räder nicht stillstehe­n. »Fahrräder haben den Vorteil, dass jeder sie benutzen kann, auch Kinder, Frauen, Alte – mit einem Auto wäre das in Afrika nicht so«, sagt Jasiunaite. So helfen die Fahrräder ganzen Dorfgemein­schaften voranzukom­men – auf den Straßen und im Leben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany