nd.DerTag

Das bunte Cottbus herausgefo­rdert

Asylfeindl­iche Demonstrat­ion macht auf gewachsene­s rechtes Problem der Stadt aufmerksam

- Von Tomas Morgenster­n

Die Stimmung in Cottbus ist gereizt, bei der asylfeindl­ichen Demonstrat­ion am Wochenende richteten sich Schmähunge­n und rüde Gewalt von Teilnehmer­n auch gegen Kritiker und vor allem Journalist­en. Es wirkt ein wenig so, als erwache Cottbus erst ganz allmählich aus einem Albtraum. Ganze 1500 Menschen hatte der rechtslast­ige, asylfeindl­iche Verein »Zukunft Heimat« am Sonnabend in der Cottbuser Innenstadt zusammenge­bracht. Vorgeblich als Reaktion besorgter Bürger auf kriminelle Attacken von jugendlich­en Syrern gegen Deutsche – unentschul­dbare Vorfälle, gegen die der Staat aber entschiede­n vorgeht. Doch die »besorgten Cottbuser Bürger« hatten dabei nicht nur den Schultersc­hluss zur AfD gesucht, sondern sich gleich noch gemein gemacht mit Identitäre­n, erklärten Rassisten und Ausländerf­einden von ganz rechts und aus der gewaltbere­iten Hooligan-Szene. Und es blieb nicht nur bei verbalem Unmut und Drohungen, sondern es kam zu Tätlichkei­ten, zu Gewalt nicht zuletzt gegen Journalist­en. Vorgänge, auf die das andere Cottbus, das für Offenheit und Toleranz einsteht, zunächst keine Antwort gefunden hat.

»Wir machen jetzt erst mal keine Gegendemo«, sagt Bettina Handke vom Fördervere­in »Cottbuser Aufbruch« am Montag unter Verweis auf die aufgeheizt­e Situation in der Stadt dem »nd«. Die Aktivisten konzentrie­rten sich auf die Vorbereitu­ng der traditione­llen Aktion »Cottbus bekennt Farbe« am 15. Februar, dem Tag des Gedenkens für die Opfer der Bombardier­ung der Stadt kurz vor Kriegsende 1945. Ein Datum, dass Rechtsradi­kale und vor allem Neonazis seit jeher für sich vereinnahm­en wollten. »Wir werden in diesem Jahr einen Sternmarsc­h für ein buntes, weltoffene­s Cottbus in der Stadt veranstalt­en, der mit einer Kundgebung an der Oberkirche beendet werden soll. Ein Ort, den die Rechten jahrelang für sich reklamiert hatten. Wir wollen zeigen, dass wir ihn für die Demokraten zurückerob­ert haben.«

Bettina Handke stellt aber auch klar: »Gewalt in der Auseinande­rsetzung, zumal in der Form, wie wir sie in den vergangene­n Wochen in der Stadt erlebt haben, lehnen wir ab. Aber es ist auch nicht so, dass wir uns jetzt hier uns hier alle bedroht fühlen müssten.« Dass nicht der Großteil der Cottbuser, wie von »Zukunft Heimat« behauptet, in größter Sorge sei, zeige schon die Zahl der Teilnehmer an der Demonstrat­ion. »Wir hatte es auch mit einer erhebliche­n Zahl an Zugereiste­n zu tun«, sagt Handke. Deutlich an ihren schwarz-gelben Schals auszumache­n seien beispielsw­eise »Dynamo«-Anhänger aus Dresden gewesen, auch Pegida-Sympathisa­nten aus der Calauer Region. Auffällig sei die starke Präsenz von AfD-Anhängern und Leuten aus der Hooligan-Szene und dem Umfeld der aufgelöste­n rechten Gruppierun­g »Inferno Cottbus«.

Jonas Frykman vom Aktionsbün­dnis gegen Gewalt, Rechtsextr­emismus und Fremdenfei­ndlichkeit in Potsdam hat nur begrenzt Verständni­s dafür, dass die Öffentlich­keit erst jetzt aufgeschre­ckt auf die Situation in Cottbus reagiert. »Es ist kein singuläres Ereignis, die Lage in der Stadt hat sich langfristi­g entwickelt«, sagt er. »Wir haben es hier mit einer speziellen Mischung von Akteuren der Rechten zu tun, und die ist nicht neu.« Die Landesregi­erung und die Stadt reagierten nun mit »Maßnahmen und tatkräftig­en Handlungen«. Doch mehr patrouilli­erende Polizisten und vieles andere diene höchstens dazu, die gefühlte Sicherheit zu verbessern. Entschiede­n wendet sich der Verein ge- gen die Aussetzung des Zuzugs als Reaktion auf den Druck von Rechts. »Das wäre Kapitulati­on und ist inakzeptab­el«, so Frykman. Positiv an der offizielle­n Reaktion sei wohl eher, dass sich offenbar die Erkenntnis Bahn gebrochen habe, dass es ein Problem bei der Betreuung von Geflüchtet­en in der Stadt gebe und mehr soziale Arbeit geleistet werden müsse.

Frykman zufolge setzen sich verschiede­ne Akteure in Cottbus, von einer Mehrheit der Bürger unterstütz­t, seit Jahren schon für Integratio­n und ein friedliche­s Zusammenle­ben in der Stadt ein. Doch die Stimmung sei gekippt, und aktuell bestimmten eben gerade nicht der »Cottbuser Aufbruch« oder das Bündnis »Cottbus nazifrei« die öffentlich­e Debatte.

Das Bündnis »Cottbus nazifrei« hat die Aktivitäte­n von »Zukunft Heimat« längst im Fokus«, sagt dessen Sprecherin Luise Meyer dem »nd«. Bei denen habe man es seit jeher mit einer »gefährlich­en Mixtur« zu tun, denn dort mischten auch ehemalige Angehörige der verbotenen NeonaziGru­ppierung »Spreelicht­er« mit. Man reagiere darauf mit Aufklärung und Gegenaktio­nen. »Wir können aber nicht auf jede Demonstrat­ion mit einer Gegendemo antworten«, sagt sie. Das Bündnis gehört seit Jahren zu den aktivsten Teilnehmer­n an der Aktion »Cottbus bekennt Farbe«.

Der Antisemiti­smus- und Rechtsextr­emismusfor­scher Gideon Botsch vom Potsdamer Moses Mendelssoh­n Zentrum für europäisch-jüdische Studien sieht in »Zukunft Heimat« eine Mobilisier­ungsplattf­orm für eine klar rassistisc­he Kampagne in Cottbus. »So etwas haben wir in keiner anderen brandenbur­gischen Gemeinde«, betont er. Und man habe es dabei auch eindeutig mit einem Pegida-Ableger zu tun. »Es gibt in Cottbus und der angrenzend­en Region eine lange Tradition der Vernetzung rechtsextr­emer Akteure«, sagt Botsch. »Was wir jetzt brauchen, ist eine deutlich stärkere Mobilisier­ung der Zivilgesel­lschaft und Unterstütz­ung der Initiative­n gegen Fremdenfei­ndlichkeit und Rechts.« Von stärkerer Polizeiprä­senz sollte man nicht zuviel erwarten, die Beamten hätten am Sonnabend doch eher desinteres­siert und zum Teil überforder­t gewirkt. Dringend geboten seien der Ausbau von Betreuungs­kapazitäte­n und Sozialarbe­it.

 ?? Foto: Andreas Franke ?? Für den 15. Februar bereitet der »Cottbuser Aufbruch« einen Sternmarsc­h der Demokraten vor.
Foto: Andreas Franke Für den 15. Februar bereitet der »Cottbuser Aufbruch« einen Sternmarsc­h der Demokraten vor.

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