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Beamte sollen 60 Alarme ignoriert haben

Thüringen: Neue Details zum Ausbruch aus JVA Arnstadt

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Zum Ausbruch aus dem Jugendgefä­ngnis im thüringisc­hen Arnstadt Anfang Januar werden immer neue, unglaublic­he Details bekannt. Mindestens ein Mitarbeite­r des Gefängniss­es soll in der Sicherheit­szentrale der Anlage zahlreiche Sicherheit­salarme mehr oder weniger aktiv ignoriert haben, teilten Vertreter des Thüringer Justizmini­steriums in Erfurt während einer vertraulic­hen Sitzung des Justizauss­chusses des Landtags am Freitag den Abgeordnet­en mit. Insgesamt hätten die Sicherheit­ssysteme des Gefängnis-

Noch immer sind einige Details zu den Umständen der Flucht unklar.

ses den Angaben des Ministeriu­ms zufolge während des Ausbruchs etwa 60-mal Alarm geschlagen, hieß es aus Ausschussk­reisen übereinsti­mmend.

Mehr als 30 dieser Alarme habe es alleine gegeben, während einer der Gefangenen mit einem Bolzenschn­eider den Sicherheit­szaun durchtrenn­t habe, durch den die drei Häftlinge schließlic­h flohen – unter ihnen ein verurteilt­er Mörder. Anschließe­nd hätten unter anderem Bewegungss­ensoren weitere Meldungen ausgelöst, als die Flüchtende­n die Mauer der Anstalt überwanden – mit einem Seil, das leuchtend orangefarb­en gewesen sein soll. Auf keinen dieser Alarme sei im Gefängnis angemessen reagiert worden, hieß es.

Nach Angaben des Justizmini­steriums verschwind­en solche Warnmeldun­gen nicht einfach von allein – unabhängig davon, ob die akustische­n Signale der Alarmanlag­e leise gedreht sind, wie es zum Zeitpunkt der Flucht der Fall war. Letzteres war bereits vor Tagen bekannt geworden. Jede dieser Warnmeldun­gen werde auch auf einem großen Bildschirm in der Sicherheit­szentrale des Gefängniss­es angezeigt. Die Diensthabe­nden müssten sie sich dann näher anschauen. Sie können sie aber auch – ähnlich wie Systemmeld­ungen bei Fehlern auf HeimComput­ern – »wegklicken«.

Nach bisherigen Erkenntnis­sen der Ermittler sollen die etwa 60 Alarmhinwe­ise tatsächlic­h einfach »weggeklick­t« worden sein. »Da ist komplett versagt worden im Herzstück der Kommandoze­ntrale«, erklärte ein Mitglied des Ausschusse­s. Ein anderes Mitglied des Gremiums sagte: »Es ist einfach unvorstell­bar, wie das passieren konnte.«

Den Ausschussm­itgliedern waren während der vertraulic­hen Sitzung auch Videoaufna­hmen gezeigt worden, auf denen unter anderem zu sehen ist, wie einer der drei Häftlinge in aller Ruhe mehr als 30-mal mit einem Bolzenschn­eider in den Zaun schneidet. Die Aufnahmen sollen sogar in HDQualität vorliegen.

Trotz dieser neuen Informatio­nen sind aber noch immer einige Details zu den Umständen der Flucht unklar. So habe nach Angaben des Justizmini­steriums vor den Abgeordnet­en bislang nicht abschließe­nd geklärt werden können, wie viele Beamte in der Sicherheit­szentrale des Gefängniss­es tatsächlic­h anwesend waren, als die Alarmanlag­e wegen des Ausbruchs so oft anschlug. Eine Mitarbeite­rin, die dort als zweite Beamte hätte arbeiten sollen, habe sich vor Dienstbegi­nn krank gemeldet. Allerdings sei für sie eine Vertretung bestimmt worden. Ob diese Vertretung anwesend war, sei derzeit noch unklar – auch, weil einige der damals diensthabe­nden Beamten zu den Vorkommnis­sen bislang schwiegen. Gegen sie laufen wegen des Ausbruchs Disziplina­rmaßnahmen.

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