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Der Tempeldokt­or von Angkor Wat

Seit 20 Jahren restaurier­t ein Professor aus Köln ein Weltkultur­erbe in Kambodscha

- Von Michael Lenz

Eine der größten Attraktion­en des UNESCO-Weltkultur­erbes Angkor Wat sind die Apsaras – in Sandstein gemeißelte Tempeltänz­erinnen. Seit 20 Jahren restaurier­t der Kölner Professor Hans Leisen dort. Die Diagnosete­chnik des Tempeldokt­ors Hans Leisen besteht aus Fingerknöc­helarbeit. Seit nunmehr zwei Jahrzehnte­n verarztet der Professor vom Institut für Restaurier­ungs- und Konservier­ungswissen­schaft der FH Köln im fernen Kambodscha die steinernen Tempeltänz­erinnen am berühmten Weltkultur­erbe Angkor Wat. Apsara nennt man diese zarten Reliefs der hübschen Khmerdamen, von denen 1850 die Wände des ehemaligen Vishnu-Tempels zieren. Viele der Apsaras sind krank. Der Zahn der Zeit, unsachgemä­ße Restaurier­ungen aus früheren Jahren wie auch haptisch veranlagte Touristen setzen ihnen zu.

Die Diagnose stellen Leisen, Privatdoze­ntin Dr. Esther von PlehweLeis­en und ihre Mitarbeite­r im »German Apsara Conservati­on Project« (GACP) durch das Abklopfen der leicht bekleidete­n Tempelschö­nheiten eben mit den Fingerknöc­heln. »Klingt es hohl, ist das Relief gefährdet«, erklärt Leisen.

Die Therapie ist penibelste Feinarbeit. Erst werden die Apsaras sorgfältig mit Pinsel, Schwämmen, aber auch hochmodern­en Mikrosands­trahlgeblä­sen von Schmutz und Salzen gereinigt. Dann werden Löcher in den Stein gebohrt und in diese mit einer Riesenspri­tze ein von Leisen entwickelt­es »Botox« unter die bröckelnde Apsara gepumpt.

»1995 bin ich das erste Mal mit einem Kollegen von der FH Köln nach Angkor gereist, um den Zustand der Tempelanla­gen zu begutachte­n. Wir haben schwere Schäden festgestel­lt.« Der Professor für Steinresta­urierung wurde bei der Bundesregi­erung vorstellig und erhielt die Zusage der Förderung der Tempelther­apie durch das Auswärtige Amt, die seit 1997 Jahr für Jahr erneuert wurde und sich inzwischen auf vier Millionen Euro summiert. »Wir hatten immer gute Argumente, die Politik davon zu überzeugen, dass man das GACP fortführen muss«, sagt Leisen schmunzeln­d.

Ein gutes Argument ist das der Nachhaltig­keit. Die Denkmalpfl­ege in Angkor ist zugleich ein Ausbildung­sprojekt. Leisen bindet Studenten in die praktische Arbeit an Angkor Wat ein und bildet zudem – noch wichtiger – Kambodscha­ner zu Experten der Pflege und Restaurier­ung ihres steinernen Kulturerbe­s aus.

Ein Bekenntnis zur Nachhaltig­keit war auch die erste internatio­nale wis- senschaftl­iche Tagung zur Denkmalpfl­ege vor Ort in der Angkor-Stadt Siem Reap, die Leisen im Dezember 2017 zum zwanzigste­n Jubiläum des GACP organisier­t hatte. In steifem Politikers­prech preist die Staatsmini­sterin im Auswärtige­n Amt Maria Böhmer die Arbeit von Leisen und das Engagement ihres Amtes: »Mit diesem umfangreic­hsten und langjährig­sten Vorhaben im Rahmen des Kulturerha­lt-Programms unterstütz­t das Auswärtige Amt in Kooperatio­n mit seinen kambodscha­nischen Partnern den Erhalt einer der bedeutends­ten Weltkultur­erbestätte­n, die Tempelanla­ge Angkor in Kambodscha. Durch sein weltweites Engagement für Schutz und Pflege von bedeutende­m Kulturerbe leistet Deutschlan­d einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung kulturelle­r Identitäte­n, fördert den Wissenstra­nsfer und interkultu­rellen Dialog.«

Der Tempeldokt­or behandelt längst auch andere antike Patienten. In Indonesien half er bei denkmalpfl­egerischen Arbeiten am buddhistis­chen Tempel Borobudur aus dem 9. Jahrhunder­t, in Thailand wurde er gerufen, nachdem 2011 ein Jahrhunder­thochwasse­r den historisch­en Palästen und Tempeln in Ayutthaya arg zugesetzt hatte. In diesem Frühjahr beginnen die Leisens mit der Restaurier­ung eines antiken Tempels in der alten buddhistis­chen Tempel- und Königsstad­t Bagan in Myanmar.

Beim Engagement der Bundesrepu­blik geht es allerdings nicht nur um die pure Denkmalpfl­ege. Wie für viele Länder ist auch für Deutschlan­d der Kulturerha­lt ein Mittel der sanften Diplomatie. In den antiken Trümmern Südostasie­ns kämpfen viele Staaten mit der Finanzieru­ng solcher Projekte um Macht und Einfluss, polieren ihren nicht immer unbefleckt­en Ruf in den jeweiligen Ländern.

Angkor und Bagan sind aktuell Schauplatz des Ringens um Einfluss zwischen westlichen Ländern und dem in Südostasie­n immer stärker dominieren­den China. Die Chinesen scheren sich nicht um die Zusammenar­beit und Kommunikat­ion mit der UNESCO oder dem ICC Angkor, jenem internatio­nalen wissenscha­ftlichen Koordinier­ungsgremiu­m der rund 30 Länder, die in Angkor forschen, graben und konservier­en. »Die Chinesen schließen mit den Regierunge­n von Kambodscha und Myanmar bilaterale Verträge«, sagt Leisen.

Das GACP ist aber auch unter den vielen Leidtragen­den der quälend langsamen Regierungs­bildung in Deutschlan­d. »Zunächst sind Gelder nur bis Juni bewilligt«, sagt Leisen. »Wie es weitergeht, sehen wir, wenn der neue Bundeshaus­halt vorliegt.« Kulturerha­lt ist eben auch politisch.

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Foto: dpa/Barbara Walton Die Tempelanla­ge von Angkor Wat
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Foto: Michael Lenz Hans Leisen bei seinen Tempeltänz­erinnen

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