nd.DerTag

Nawalny bleibt auf Stimmenfan­g

Klaus Joachim Herrmann über das Ende der Stiftung »Fünfte Jahreszeit«

-

Der jüngste Schlag der russischen Staatsmach­t gegen Alexej Nawalny war zu erwarten. Die unter Hinweis auf frühere Verurteilu­ngen verweigert­e Kandidatur und Razzien in Wahlkampfb­üros bereiteten den Entzug finanziell­er Mittel durch Schließung der Stiftung »Fünfte Jahreszeit« vor. Überrasche­n mag die Konsequenz des Vorgehens ohne erkennbare Rücksicht auf die näher rückende Präsidente­nwahl.

Da ließe sich fragen, ob die Verantwort­lichen mit einer Teilnahme des unbotmäßig­en Widersache­rs an den Wahlen nicht doch politisch billiger gekommen wären. Seine Person ist umstritten wie sein von Liberalen bis zu Ultranatio­nalisten reichendes Profil. Die Anhängersc­haft bringt Eifer und Leidenscha­ft ein, aber bislang weder große Geschlosse­nheit noch bemerkensw­erte Wählerproz­ente.

Bis zur Abstimmung am 18. März sind die wenig schmeichel­haften Vorgänge gewiss nicht vergessen. Dafür wird Nawalny schon sorgen. Er präsentier­t sich als einziger wirklicher Konkurrent des Favoriten Putin. Indem er zum Boykott aufruft, organisier­t er sein eigenes Wahlergebn­is. Denn der begnadete Populist bleibt auf Stimmenfan­g. Er wird unweigerli­ch jeden Unzufriede­nen oder Wahlmüden als eigenen Parteigäng­er reklamiere­n und einen Urnengang ohne sich selbst für ungültig erklären.

Newspapers in German

Newspapers from Germany